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Landeshauptstadt: Ein Karton voller Fragen

Amerikaner Henry Good will mehr über seine in Potsdam geborene Mutter erfahren

Amerikaner Henry Good will mehr über seine in Potsdam geborene Mutter erfahren Jahrelang stand der kleine Karton unter dem Stuhl im Wohnzimmer von Ursula Good. Und jahrelang hat Henry Good diesem Karton wenig Beachtung geschenkt. Er wusste, dass seine Mutter dort Fotos aufbewahrte. Geheimnisse barg der Karton deshalb aber nicht. Egal was Henry Good über das Leben seiner Mutter wissen wollte, sie erzählte es ihm gern. Doch als Ursula Good im Dezember 2004 im Alter von 81 Jahren wenige Tage nach einem Schlaganfall verstarb, da spürte Henry Good, dass er ihr noch viele Fragen hätte stellen können. Henry Good hat für ein paar Tage sein Heimatstädtchen Monticello, knapp 140 Kilometer nordwestlich von New York, verlassen, um im ostfriesischen Emden die Feuerwehr zu besuchen, deren Ehrenmitglied er ist. Für drei Tage ist er nach Potsdam gekommen und hofft, etwas mehr über seine Mutter zu erfahren, die ihre ersten 29 Lebensjahre hier verbrachte. Damals hieß sie noch Ursula Haacke. Nach dem Tod seiner Mutter hat Henry Good den Karton unter dem Stuhl hervorgeholt, den Deckel geöffnet und jedes einzelne Bild lange betrachtet. Eines zeigt die 16-jährige Ursula auf einem Klassenfoto. Zusammen mit 27 Mitschülerinnen – ihr Lehrer hält sich etwas versteckt in der zweiten Reihe – steht sie auf dem Hof der Charlottenschule, dort wo heute das Kabarett Obelisk und al globe residieren. Henry Good schaute auch in die anderen Gesichter und fragte sich, wer von diesen jungen Frauen wohl mit seiner Mutter befreundet war und ihm vielleicht etwas über ihre Zeit hier in Potsdam berichten könnte. Das seine Chancen nicht sehr groß sind, weiß der 53-Jährige. Aber Henry Good hofft, dass in Potsdam vielleicht doch noch jemand lebt, der sich an seine Mutter erinnert. Auch nach all den Jahren. Er hat viele Fotos mitgebracht, die das Leben seiner Mutter zeigen. „Das Klassenfoto muss aus dem Jahr 1936 oder 1937 stammen“, erklärt er in gutem Deutsch mit gepresstem amerikanischen Akzent. In der Jacke der Feuerwehr von Monticello, wo er als Feuerwehrpolizist bei Einsätzen die Straßensperrungen regelt, sitzt er am Tisch und erzählt ausschweifend, wobei es nicht immer leicht ist, ihm zu folgen. Nach der Schule ließ sich Ursula Haacke zur Krankenschwester ausbilden. Während des Zweiten Weltkrieges arbeitete sie beim Roten Kreuz als Lazerettschwester. Ihre guten Englischkenntnisse halfen der 24-Jährigen dann nach dem Kriegsende. In Berlin war sie als Dolmetscherin für die Amerikaner tätig, bis sie wenige Jahre später nach Bad Godesberg bei Bonn zog, um dort auf dem amerikanischen Armeestützpunkt zu arbeiten. Hier heiratete sie und hier kam 1950 ihr Sohn Henry zur Welt. Als Henry fünf Jahre alt war, zog seine Mutter mit ihm nach Amerika. „Zuerst lebten wir ein Jahr in New York, dann zogen wir nach Monticello“, erinnert er sich. Die Stadt mit den über 6000 Einwohnern wurde zum neuen Lebensmittelpunkt der Kleinfamilie Good. Viele der Bilder aus dem Karton unter dem Stuhl zeigen Ursula Goods Leben in Monticello. Auf einem steht sie vor einem bunten Truck aus ihrer eigenen Firma. Henry Good war jahrelang mit diesem Truck unterwegs. Bis nach Deutschland kam er mit dem auffälligen Gefährt. 1992 bereiste er die Republik, rollte sogar durch das Brandenburger Tor, wie er erzählt. „Da wurde es ein bisschen eng.“ Das kleine Abenteuer kostete ihm die Außenspiegel. Auf einem anderen Foto sitzt die hochbetagte Ursula Good neben dem Mikrofon in der lokalen Radiostation WJFF von Monticello. 1990 hatte sie hier begonnen auszuhelfen. Ihr „Kings English“ mit dem Potsdamer Akzent, wie Henry Good es beschreibt, fand schnell Liebhaber. Ein Jahr später bekam sie ihre eigene Show. Jeden Freitag, von 12 bis 14 Uhr, gab es dann im „Café Ursula“ Klassisches, Musik aus Deutschland und, als ehemalige Fuhrunternehmerin fast schon unvermeidlich, schunkelfröhliche Fernfahrerlieder. Bis wenige Tage vor ihrem Tod war Ursula Good regelmäßig auf Sendung. Für einen Moment schweigt Henry Good, während er die lachende Frau mit der viel zu großen Brille und den Kopfhörern betrachtet. Sein ganzes Leben hat er in der Nähe seiner Mutter verbracht, mit ihr zusammen in der eigenen Firma gearbeitet. Henry Good hat viel mit ihr geredet. Doch manches erfuhr er erst nach ihrem Tod. Henry Good fand den Brief einer ehemaligen Schulfreundin seiner Mutter, Mitte der 90er Jahre geschrieben. Bis zu diesem Moment wusste er nicht, dass Ursula Good noch immer Kontakt mit einer Freundin aus ihrer Jugend hatte. Henry Good versuchte die alte Freundin zu erreichen. Doch er erfuhr nur, dass sie mittlerweile verstorben war. Je länger Henry Good die Bilder seiner Mutter aus dem Karton betrachtet, umso mehr Fragen stellt er sich. Viele werden unbeantwortet bleiben. Doch ein paar Antworten erhofft er sich. Dirk Becker Wer Informationen zu Ursula Good, geb. Haacke hat, kann sich an Eberhard Schüler unter Tel.: (04223) 8279 wenden oder direkt an Henry Good unter Email: hankgood@bestweb.net Henry Good (53) hofft, in Potsdam noch jemanden zu finden, der sich an seine Mutter Ursula Haacke erinnert. Ihre ersten 29 Lebensjahre verbrachte sie in Potsdam, bevor sie mit ihrem Sohn nach Amerika zog.

Dirk Becker

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