zum Hauptinhalt
Potsdam hat ein neues Schloss - und Brandenburg einen neuen Landtag.

© Manfred Thomas

Kommentar: Ein Ort der Einsicht

Potsdam bekommt an diesem Donnerstag seine Mitte wieder, und Brandenburg endlich einen Parlamentssitz - hoffentlich auch irgendwann ein souveränes Parlament. Ein Kommentar von Peter Tiede

Das hier wird persönlich. Zum Anfang: Einsicht. Ich war dagegen, dass in Potsdams Mitte, in der Mitte einer an historischen Bauten und vor allem Schlössern nicht armen Stadt Vergangenes nachgebaut, dass an exponierter Stelle herumhistorisiert wird, statt genau dort einen modernen Impuls zu setzen. Ich habe zuhören lernen und mich belehren lassen müssen. Nun: die Überzeugung. Die Gewissheit, dass dieses Haus in dieser Form und mit dieser Fassade dorthin gehört, an den Alten Markt, in Potsdams Herz. Der Neubau hinter alter Fassade, der heute dem Landtag übergeben wird, zeigt, so wie er dasteht und die Rudimente der alten Stadt wieder verbindet und lange geleerten Stadtraum wieder mit Sinn füllt, dass das, was ringsherum einmal tatsächlich sozialistischer und hart erarbeiteter Fortschritt war, vor allem eines ist: ahistorisch, feindlich in diese, gegen die eigene Stadt gebaut.

Nun wird es schön und gut für diese Stadt. Und für das Parlament? Es bekommt zum ersten Mal überhaupt einen angemessenen Sitz. Der bisherige war immer nur Behausung – als habe man dem Frieden mit der Demokratie nicht getraut: eine gewählte Volksvertretung in einem Provisorium, Tagen in schlecht getünchten Resten: Die Bebilderung zur „kleinen DDR“, von der Manfred Stolpe einmal redete. Bloß: Es passte. Es passte zu den Parlamentariern. Die Frage nur: War es der Ungeist des Ortes, der das verbogene Selbstbild der Volksvertreter bestimmt? Oder passte da etwas sehr ungut zusammen auf dem Brauhausberg? Denn ein stolzes Parlament und sich ihrer Selbst bewusste Volksvertreter hätten sich nie und nimmer selbst so behandelt: eingepfercht in eine Bruchbude; um Längen mieser ausgestattet als der Regierungsapparat.

Meine Wahrheit nach 23 Jahren A(ba)rbeit in Brandenburg: Vor allem die wechselnden Koalitionsreihen hindurch in Überzahl abhängige Abgeordnete, zunächst der Partei verpflichtet, auf deren Ticket man nach Potsdam kam – und schlimmer noch: der Regierung, deren Kurs eigentlich bestimmt, deren Arbeit kontrolliert werden soll. Verkehrte Welt. Selbst in der Opposition: oft zu wenig Wille. Sie nutzen ihre Freiheit nicht, die freien Abgeordneten.

Ein Beispiel: dass sie nicht einmal Herr im eigenen neuen Hause sind. Dass sich die Volksvertretung nicht souverän selbst ihren Sitz bauen ließ, sich hinterm Finanzministerium versteckt, das das Symbol der Volksherrschaft in der alten Preußenmetropole von einem Konzern least (Man stelle sich den Bundestag als Untermieter im Reichstag vor!). Das Leasen sollte günstiger sein und irgendwer wird wieder von preußisch-sparsam reden. Von wegen! Es ist nicht recht – nur billig. Und selbst die Schönheit des Baus – mit Makel: dass sich die Volksvertreter nicht zu schade sind, sich die Pracht ihres Repräsentationsbaus von privater Hand bezahlen zu lassen – ein souveränes Land als Bettler.

Von den Mäzenen – Günther Jauch, der Pionier, der das Fortunaportal des Schlosses als Mahnmal und Impuls auf den leeren und wunden Alten Markt stellte, und Hasso Plattner, der Fassade und Kupferdach und damit der Stadtwunde Anmut und äußerliche Narbenfreiheit spendierte – mehr als ein Zeichen von bürgerlichem Verantwortungsbewusstsein und Generösität: unbezahlbar wie der Kampf derer, die das Schloss immer wieder wollten. Nun ist es gut. Sie ziehen ein, die Volksvertreter, in das, was man nun tatsächlich einen Parlamentsbau nennen kann. Verbunden damit die Hoffnung: dass <CS8.6>sie dem Ort gerecht werden, dass sie hineinwachsen. Das Stadtschloss war, das Landtagsschloss ist Potsdams Herz – es muss zu Brandenburgs politischem werden. Nach all der Zeit: noch Hoffnung; und beim Schloss keinen Zweifel mehr.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false