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Koran-Studium. Kontakte zu iranischen Gelehrten wecken Befürchtungen.

© dapd

Homepage: Eine umstrittene Reise

Potsdamer Religionswissenschaftler wollen in den Iran reisen. An der Kooperation mit der Qom-Universität gibt es erneut Kritik

Den Abbruch der Kooperation zwischen dem Institut für Religionswissenschaften an der Universität Potsdam mit der iranischen Hochschule für Religionen und Denominationen (URD) in Qom hat die Kampagne „Stop the Bomb“ gefordert. Das Bündnis begründet dies damit, dass die Qom-Uni dem totalitären iranischen Regime Legitimität verschaffe und dem Regime zu Propagandazwecken diene. Auch das Potsdamer Bündnis gegen Antisemitismus kritisiert die Kooperation. Bereits im vergangenen Jahr hatte es wiederholt Kritik an der Zusammenarbeit zwischen Potsdam und Qom gegeben. Das Institut für Religionswissenschaften sowie der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) hatten die Kooperation daraufhin verteidigt. Vom 15. bis 30. September wird eine Delegation der Potsdamer Uni und der Goethe-Universität Frankfurt in den Iran reisen.

Die Kampagne „Stop the Bomb“ kritisiert, dass die Qom-Universität der totalitären und antisemitischen iranischen Staatsideologie anhänge. Das Bündnis zitiert den iranischen Religionswissenschaftler Seyed Mostafa Azmayesh: „Das Ziel der URD-Universität in Qom ist die Förderung von ins Ausland expedierten Lobbyisten, die das Potential und die Fähigkeit haben, westliche Intellektuelle zu überzeugen, dass der Iran die Wahrheit ausspricht und die Meinung der anderen falsch ist.“ Die Absicht der URD sei es, die religiöse und politische Propaganda der Machthaber in Teheran zu verbreiten. „Ein Religionsdialog mit der islamistischen Elite des Regimes, das aktiv religiöse Minderheiten verfolgt, ist eine Verhöhnung seiner Opfer“, sagte der Sprecher des Stop-the-Bomb-Bündnisses, Michael Spaney. „Während das iranische Regime unter dem Deckmantel des interreligiösen Dialogs islamistische Hardliner schult, welche Propagandatechniken im Westen anzuwenden sind, werden Vertreter religiöser Minderheiten im Iran weiter inhaftiert, gefoltert und ermordet“, so Spaney.

Im vergangenen Jahr hatte der deutsch-iranische Soziologe Wahied Wahdat-Hagh schwere Vorwürfe gegenüber der Qom-Uni erhoben. Die Hochschule sei eine islamistische Kaderschule. Erkenntnisse über andere Religionen würden dort für militanten Messianismus gesammelt. Wahdat-Hagh wollte seine Intervention als Warnung verstanden wissen. Die iranische Universität sei ein ideologischer Arm der totalitären Diktatur der Islamischen Republik Iran. Die Uni Potsdam sei hier in eine Falle getappt. Das Ziel der islamistischen Diktatur des Irans sei nicht der Dialog.

Am Religionswissenschaftlichen Institut der Universität Potsdam verteidigt man die seit 2011 bestehende Kooperation. Viele Bahai-Vertreter hätten die Kritik an dem Hochschul-Dialog zurückgewiesen, sagte der Religionswissenschaftler Johann E. Hafner, der die Kooperation koordiniert, den PNN. Der zitierte Religionswissenschaftler Seyed Mostafa Azmayesh befürworte die Austauschbeziehungen mit dem Iran. Erst jüngst habe man eine „Professur für interreligiöse Begegnungen“ eingeworben, zur Bahai-Gemeinschaft pflege man gute Kontakte.

Die URD sei die einzige Universität im Iran, die es sich zum Programm gemacht habe, sich von einem neutralen Standpunkt aus anderen Religionen zu nähern, so Hafner. Er spricht von einem wissenschaftlich unverstellten Blick auf andere Religionen. Natürlich müsse auch die URD Kompromisse mit dem Regime eingehen. „Aber der Dialog mit anderen Religionen erfolgt in der ehrlichen Absicht, diese besser kennenzulernen und ihnen Raum im eigenen Denken zu geben“, so Hafner. Dass sich nun auch ein Bündnis gegen Antisemitismus gegen die Kooperation ausspricht, trifft Hafner sehr. Der Vorwurf des Antisemitismus sei absurd. Hafner verwies darauf, dass das Institut für Religionswissenschaft seit langem aktiv am Aufbau des in Kontinentaleuropa einzigen „Instituts für Jüdische Theologie“ beteiligt ist.

Auf der bevorstehenden Reise werden 30 deutsche Dozenten und Studenten Erinnerungsorte verschiedener Religionen im Iran aufsuchen. Ziel ist es laut Hafner, mit historischen und religionswissenschaftlichen Methoden die Ähnlichkeiten und Unterschiede in den jeweiligen Erinnerungskulturen herauszuarbeiten. „Ein solcher Blick ist geeignet, politische Funktionalisierungen auf beiden Seiten offenzulegen.“

Der DAAD hat sich im vergangenen Jahr hinter die umstrittene Kooperation der Universität Potsdam gestellt. Die Zusammenarbeit solle fortgesetzt werden, solange sie wissenschaftlich seriös möglich ist, so die DAAD-Präsidentin Margret Wintermantel. Der DAAD mache immer wieder die Erfahrung, dass auch unter schwierigen politischen Rahmenbedingungen, die vielerorts auf der Welt nicht unseren Wertmaßstäben entsprechen würden, Wissenschaft und intellektueller Austausch als Mittel gegen starre Ideologien wirken könnten. „Sie können neue Perspektiven eröffnen und Verständigung erleichtern“, so die DAAD-Präsidentin. Dieser Dialog sei notwendig. Diejenigen, die sich auf deutscher Seite dafür engagieren, sollten ermutigt und nicht diskreditiert werden, so Wintermantel.

Das Stop-the-Bomb-Bündnis verweist hingegen darauf, dass sich seit 34 Jahren deutsche Institutionen am kritischen Dialog mit dem Iran versuchen würden. „Dies führte bislang zu keiner Lockerung der Positionen des islamistischen Regimes“, so der Sprecher Spaney. „Im Gegenteil, das Atomwaffenprogramm wird vorangetrieben und auch nach der Wahl des vermeintlichen Reformers Rouhani zum Präsidenten im Juni 2013 stieg die Anzahl der durchgeführten Hinrichtungen im Iran.“Jan Kixmüller

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