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Sport: Elf nach elf

Beim Marathon in Leipzig will Jirka Arndt seine einzige Chance auf ein Olympiaticket für Athen nutzen

Beim Marathon in Leipzig will Jirka Arndt seine einzige Chance auf ein Olympiaticket für Athen nutzen Von Jan Brunzlow Um elf Uhr elf wird Jirka Arndt auf die Uhr gucken und über seine Zukunft Bescheid wissen. Das High-Tech-Zeitmessgerät am Arm des 30-Jährigen wird dabei zum Boten – für die Nachricht ist Arndt selbst verantwortlich. Olympia 2004 in Athen oder Karriereausklang wird sie lauten, egal ob er am Sonntag um diese Zeit schon im Zielbereich des Leipzig-Marathons steht oder sich noch auf den letzten Kilometern befindet. Zwei Stunden und elf Minuten ist die Norm des Deutschen Leichtathletikverbandes (DLV) für die Teilnahme beim Marathon in Athen. Eine Zeit, „die verdammt weit weg ist“, sagt der Potsdamer, der im Marathongeschäft noch ein Rookie ist. Zwei Rennen über 42,195 Kilometer lief er von Anfang bis Ende, beide 2002 und 2003 in Berlin. Zwei andere, Berlin 2001 und Rotterdam 2003, brach er vorher ab. Bis zum ersten Mai müsste er die vom DLV geforderten 2:11:00 Stunden laufen (die NOK-Norm liegt bei 2:15:00), um ein Ticket nach Athen zu ergattern. Als beste Zeit stehen 2:16:28 Stunden aus dem Vorjahr in den Listen des Olympia-Achten über 5000 Meter von Sydney, fünf Minuten schneller will er in Leipzig sein. „Die Zeit in Leipzig, oder keine“, sagt Arndt und schließt einen weiteren Marathon bis Anfang Mai aus. Warum er sich ausgerechnet die Olympiabewerberstadt, die nicht für schnelle Marathons bekannt ist, ausgesucht hat, beantwortet der gebürtige Wolgaster mit guter Betreuung durch den Veranstalter, der Nähe zu Berlin und dem Angebot. Gemeinsam mit Carsten Schütz (TV Wattenscheid) bekommt Arndt zwei Haasen, die bis zwanzig beziehungsweise dreißig Kilometer Tempo machen sollen, an die Seite gestellt. Danach entscheidet sich laut Arndt auch die weitere Route für die nächsten zwölf Kilometer. Das Anfangstempo, ausgerichtet auf eine Endzeit von zwei Stunden zwölf Minuten könne bei dreißig Kilometer noch korrigiert werden, so Arndt. Je weiter die Entscheidung hinaus geschoben wird, desto schwerer wird es. Ein Sprinter war Arndt, der 1988 von Wolgast zum ASK Vorwärts Potsdam und an die Kinder- und Jugendsportschule wechselte, nie. Das wusste er auch in Sydney, als er im Bummelfinale über 5000 Meter das Tempo hoch hielt und sich teilweise mehr als einhundert Meter vor dem Hauptfeld präsentierte. Wohl wissend, in einem Schlussspurt nicht um die Medaillen kämpfen zu können. Seit 14 Jahren ist der Lauf-Profi inzwischen international unterwegs, der erste europäische Auftritt stammt noch aus den letzten Tagen der DDR, als er 1990 beim Junioren-Länderkampf gegen die UdSSR startete. Später wurde der Schützling von Jürgen Straub, Jürgen Hemmerling und Axel Pohlmann (seit 1991) Sechster der Junioren-EM 1991 und dreifacher deutscher Juniorenmeister über 5000 Meter. Inzwischen in nationalen Bestenliste angekommen, löste er sich von den Rahmenbedingungen in Potsdam und kam erst nach sechs Jahren für den LC Cottbus (1997) und den SC Charlottenburg (1998 bis 2002), wo er gemeinsam mit Stéphane Franke und Damian Kallabis seine erfolgreichste Zeit hatte, zurück in den Luftschiffhafen zum SC Potsdam. Keinen der Wege will er heute missen, vor allem „durch Stéphane habe ich viel gelernt“, so Arndt. Auch den Weg von der Bahn auf die Straße hat er nicht bereut, obwohl er dort erst trinken lernen musste. Die Schwierigkeit, sich mit Getränken während des Laufens zu versorgen, besteht darin, alle zwanzig Minuten viele Hydrate in flüssiger Form aufzunehmen und dabei nicht an Tempo zu verlieren, sich nicht zu verschlucken oder aus dem Laufrhythmus zu kommen. Seine Trainingsbegleiter, Trainer Axel Pohlmann oder Schwester Conny, reichten ihm anfangs in der Pirschheide die Flasche, inzwischen sei das laut Arndt aber kein Problem mehr. Die Ernährung, eine Marathon-Diät, stand daher diesmal im Vordergrund der Vorbereitung: vor zwei Wochen reduzierte er die Kohlenhydratzufuhr, um den Glykogen-Speicher (Zucker) im Körper zu leeren. Danach folgt, die letzten vier Tage vor dem Wettkampf, die Konzentration auf Speisen mit 80 bis 90 Prozent Kohlenhydraten. Es soll zum Erfolgsrezept werden. Zwei Ermüdungsbrüche warfen Jirka Arndt nach seiner erfolgreichen Olympiasaison von vor vier Jahren zurück. In diesem Jahr nun kam er ohne größere Probleme mit dem Schweizer Victor Röthlin durch die Wüste Kenias und dann alleine durch die Orangengärten der Algarve, in denen er sich auf die Saison vorbereitete. Viel hat er in der Vergangenheit für den Erfolg investiert und ausprobiert, beispielsweise die Weisheitszähne entfernen und neuralgische Punkte an der Wirbelsäule osteopathisch behandeln lassen. Alles, um am Ende die entscheidenden Zehntel zu gewinnen. Seit drei Jahren startet er auf Asphaltstraßen, da geht es nicht um Zehntel, sondern um Minuten und Sekunden. Den Weg von den Olympischen Spielen in Sydney zu denen in Athen hat Arndt hinter sich – jedoch bislang ohne am Ziel angekommen zu sein. Denn die 15344 Kilometer zwischen der australischen und der griechische Hauptstadt hat Arndt in den vergangenen Jahren im Training zurück gelegt. Nun gilt es, den letzten Schritt zu vollziehen.

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