zum Hauptinhalt
Völlig ausgebrannt. In der Nacht zu Sonntag bekämpfte die Potsdamer Feuerwehr einen Autobrand im Kirchsteigfeld. Die Feuerwehrleute rückten mit Atemschutzmasken vor und setzten Löschschaum ein. Die Polizei geht von einem Brandanschlag aus; die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen.

© Pascal van der Meer

Brand am Kirchsteigfeld: „Es sieht aus wie im Krieg!“

Nach dem verheerenden Autobrand im Kirchsteigfeld reagieren die Anwohner fassungslos – und doch besonnen

Kirchsteigfeld - Noch zwei Tage später liegt Brandgeruch in der Luft. Die Decke in der Tiefgarage eines Mehrfamilienhauses in der Bettina-von-Arnim-Straße ist schwarz vor Ruß. Eine Anwohnerin scheint sich bei Tageslicht noch einmal davon überzeugen zu wollen, dass es wirklich wahr ist, dass es in der Nacht zu Sonntag tatsächlich derart heftig in ihrer unmittelbaren Nähe gebrannt hat. „Es sieht aus wie im Krieg!“, sagt sie fassungslos. Drei Autos sind völlig ausgebrannt, die Automarken nicht mehr zu erkennen, weitere Autos stark beschädigt. Bei einem Opel Omega, dessen Front wenige Meter entfernt auf den Brandherd gerichtet ist, sind die Gläser der Schweinwerfer geschmolzen, so groß war die Hitzestrahlung. Zwei Jugendliche, 14 und 17 Jahre alt, machen Fotos von den Autowracks. Beide wohnen in dem Haus, das in der Brandnacht evakuiert wurde: „Um 1.20 Uhr waren wir draußen und gegen 3.30 Uhr konnten wir in die Wohnung zurück.“ Elf Familien waren betroffen, sagen sie, mehr als 20 Mieter. Der Ältere sagt: „Die Frage ist nun, ob das wieder vorkommt.“ Eine Folge des Brandes ist nun, dass es im Nachbarhaus kein TV- und kein Internet-Signal mehr gibt, weil beim Brand ein Kabel beschädigt wurde.

Nach den Autobränden in der Nacht zu Sonntag geht die Polizei weiterhin von Brandstiftung aus. Einen Tatverdächtigen gibt es allerdings derzeit nicht, sagte ein Polizeisprecher den PNN am Montag. Ob Brandbeschleuniger verwendet wurde, lasse sich noch nicht sagen. Derzeit rekonstruiere ein Brandursachenermittler den genauen Hergang, so der Polizeisprecher. Theoretisch komme auch ein technischer Defekt infrage: Vor zwei Monaten hatte in Brandenburg an der Havel ein kurz zuvor abstelltes Auto in einem Parkhaus Feuer gefangen und war ausgebrannt. In der Nacht zu Montag sei kein neuer Brand gemeldet worden.

Die Polizei hat bereits am Sonntag eine sechsköpfige Ermittlergruppe gebildet. Am Montag befragte die Kriminalpolizei im Umfeld des Brandortes Anwohner. Die Umfeldermittlungen würden fortgesetzt. „Die Bürger können sicher sein, die Polizei tut etwas“, so Polizeisprecher Heiko Schmidt. Was genau getan wird, wollte er aus taktischen Gründen nicht sagen. Ob es bei den Bränden im Kirchsteigfeld Parallelen zu früheren Brandserien beispielsweise in Fahrland gebe, wurde auf Anfrage nicht bestätigt. Dazu gebe es noch nicht ausreichend Erkenntnisse, hieß es.

Die Reaktionen im Kirchsteigfeld auf die Brand- und Einbruchsserie verdeutlichen, dass die Anwohner überwiegend ruhig und besonnen bleiben. Ein Mann, der gerade seinen Hund ausführt und sagt, er sei gar nicht aus dem Viertel, bildet da eine Ausnahme: „Wenn sie die kriegen“, erklärt er, „gibt es nur eins: Hand abhacken!“ Da habe er eine eindeutige Haltung: „Auge um Auge und Zahn um Zahn.“ Die Leute arbeiteten hart, um sich etwas Schönes zu leisten, „und dann kommen Hirnis und zerstören es“, empört er sich. Eine junge Frau mit einem Kind auf dem Gepäckträger ihres Fahrrades mahnt zur Rationalität und warnt vor voreiligen Schlüssen. Bevor sie irgendwelche Bewertungen vornimmt, will sie erst einmal die Ergebnisse der Ermittlungen abwarten. Sie selbst sehe das Kirchsteigfeld nicht als Kriminalitätsschwerpunkt; auf die Polizei zu schimpfen greife auch zu kurz, denn diese „ist chronisch unterbesetzt“. Außerdem: „Es gibt keine Möglichkeit, so etwas im Vornherein zu verhindern.“

Mehrere Anwohner wissen noch gar nichts von den Autobränden, so ein Mann, der mit Einkaufstüten die örtliche Kaisers-Filiale verlässt: „Autobrände? Nix gehört.“ Bei einer jungen Frau ist es anders. Erschreckend, findet sie den nächtlichen Brand. Die Tat sei „heftig für dieses Viertel“. Sie sei eigentlich extra ins Kirchsteigfeld gezogen, „weil hier vernünftige Leute wohnen“. Wenn nun aber abends der Hund ausgeführt werden muss, überlasse sie das aus Vorsicht lieber ihrem Freund. Sie, aber auch andere Anwohner, mit denen die PNN sprachen, äußerten ihren Eindruck, wonach das Kirchsteigfeld 20 Jahre nach seiner Errichtung an Ausstrahlung einbüße. „Das Flair war früher schöner“, sagt die junge Frau. Ein Mann findet, „es ist dreckiger geworden“; obwohl es immer noch eine gute Wohngegend sei: „Nah am Zentrum und der Wald ist nicht weit, wenn man mit dem Hund unterwegs ist.“

Eine klare Position vertritt eine 14-jährige Schülerin: „Das muss man verfolgen!“ Sie hat Angst, dass auch das Auto ihrer Eltern brennen könnte. Den – möglichen – Tätern schreibt sie ins Stammbuch: „Was bringt es? Nichts!“ Ein weiterer Mann mittleren Alters bemängelt, dass „man sehr selten mal einen Streifenwagen sieht“. Vielleicht sind Zivilstreifen unterwegs? „Wäre schön“, sagt er und hat noch einen Tipp: „Fragen Sie mal im Zeitungskiosk, dort wollten sie schon mehrmals einbrechen.“

Die Kioskbetreiberin ist auf Journalisten nicht gut zu sprechen. Bei einer Brandserie in Berlin hätten die Zeitungen künftigen Tätern noch haarklein erklärt, wie ein Auto fachgerecht in Brand zu stecken ist – „unverantwortlich“. Klar sei für sie, dass die Einbruchsversuche – „ein laufendes Verfahren“ – und die Autobrände von unterschiedlichen Tätern verursacht werden. „Wer steckt schon Autos an?“, fragt sie und antwortet: „Feiglinge!“ Mit mangelnder Polizeipräsenz hätten die Dinge der jüngsten Zeit nichts zu tun: „Die Polizei kann nicht überall zur gleichen Zeit sein“, sagt sie und versichert: „Wenn es ein Problem gibt, ist sie da.“

Das Kirchsteigfeld gehörte zu den größten Wohnungsbauvorhaben in den Neuen Bundesländern nach 1990. Die Investorengruppe Groth & Graalfs beauftragte 25 Architekten mit der Gestaltung des Viertels mit 2800 Wohnungen. Es entstand eine große Vielfalt in der Architektur. Ziel war es, keine Schlafstadt zu entwerfen, sondern ein lebendiges Quartier. In der Vergangenheit ließen mehrere Kriminaldelikte in dem Stadtteil aufhorchen. Im Januar 2014 brannten bereits zweimal Autos. Im August 2013 ereignete sich im Kirchsteigfeld ein Familiendrama mit zwei Toten. Ein 49-Jähriger tötete seine 45-jährige Frau und wurde später auf der Autobahn von einem Laster erfasst und getötet. Im Februar 2013 ist ein 61-jähriger Professor aus Berlin im Kirchsteigfeld durch Verletzungen mit einem Messer zu Tode gekommen. (gb)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false