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Landeshauptstadt: Faltblatt statt Eyecatcher

Fußball-WM: Atlas sollte Ball einwerfen, doch Stiftung kritisierte „stalinistische Formensprache“

Die Werbung Potsdams zur Fußballweltmeisterschaft wird ähnlich bescheiden ausfallen wie der Auftritt der Nationalmannschaft beim 1:4 in Italien. Wenn Oberbürgermeister Jann Jakobs am kommenden Freitag auf der ITB in Berlin die Touristenstadt vorstellt, soll dort auch ein Faltblatt ausgelegt werden, das die Events während der Weltmeisterschaftswochen auflistet. Selbstverständlich enthält es einen Hinweis auf die große Restaurierungsausstellung „Marmor, Stein und Eisen bricht ... „. Aber das ist dann schon fast alles, was auf die Preußischen Schlösser und Gärten aufmerksam macht, die fußballmüde Fans zu einem Abstecher nach Potsdam locken sollen.

Der Marketingchefin der Stadtverwaltung, Dr. Sigrid Sommer, schwebte allerdings eine wesentlich intensivere Werbung vor. Auf Bahnhöfen, Flughäfen und anderen „Einfallspunkten“ der Fußballtouristen sollten unübersehbare Eyecatcher – für alle, die sich von der deutschen Sprache noch nicht verabschiedet haben: Blickfänge – aufgestellt werden. Der Entwurf dafür zeigte den Atlas des Alten Rathauses, der eine Weltkugel mit Fußballgesicht trägt. Ein Schriftzug verkündete „2:1 für Potsdam“, und ein Luftbild des Schlosses Sanssouci oder, weil das ohnehin überlaufen ist, des Marmorpalais, sollte auf die Schlösser und Gärten aufmerksam machen.

Der Stiftung, die bekanntlich mit der Stadt durch eine Vereinbarung verbunden ist, wurde der Entwurf übermittelt. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten und kam per Mail. Marketingchef Dr. Tilmann von Stockhausen lehnte den Entwurf scharf ab. Dr. Sommers Rückmail soll im Ton kaum milder gewesen sein.

Über die Wortwahl wollten beide gegenüber den PNN keine Angaben machen, doch nach einer Information aus gewöhnlich gut informierten Kreisen unterstellte v. Stockhausen dem Entwurf eine „stalinistische Formensprache“, die eine Herabwürdigung des Weltkulturerbes bedeute. Die Stadt ließ daraufhin den Entwurf in der Versenkung verschwinden – denn wer möchte sich schon dem Vorwurf stalinistischer Tendenzen aussetzen!

Für unpromovierte Laien ist er allerdings schwer nachzuvollziehen. Oder doch? Für den Entwurf wurden so genannte Bodoni-Schriften verwendet, und die findet man häufig auch auf Kampfplakaten von SED und FDJ – und sogar schon in den Olympiaheften von 1936. Allerdings lebte ihr italienischer Schöpfer Giambattista Bodoni von 1740 bis 1813, und man könnte seine schlichten und feingliedrigen Schriften vielleicht eher dem Barock und dem Klassizismus zuordnen.

Doch warum rätseln oder streiten, die Partner Stadt und Stiftung haben es ja auch nicht getan. Nach dem Schlagabtausch via E-Mail konnten sie einander telefonisch nicht erreichen – was den PNN allerdings mühelos gelang. Die Stadt gab auf, weil ohne Schlossabbildung ohnehin keine Sponsoren für die „Eyecatcher“ zu gewinnen waren, und für v. Stockhausen hat sich „durch die Einsicht der Stadtverwaltung“ ein „kaum nennenswertes“ Problem erledigt.

Die naheliegende Möglichkeit, über den Entwurf zu diskutieren und so einen tragbaren Kompromiss zu finden (wie das beim Logo für das Jahr der Architektur ja auch gelungen ist), hat der Marketingchef der Stiftung offensichtlich nicht erwogen. Gegenüber den PNN betonte er aber, dass er sich über jeden Fußballfan freut, der die Schlösser und Gärten besucht. Dafür haben wir dann die Faltblätter. Die Ukrainer kommen auf jeden Fall, denn ihre Mannschaft bezieht in Potsdam Quartier.

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