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Landeshauptstadt: Fast 40 Jahre Heimweh nach Potsdam

Wolfgang Cornelius, Potsdams ältester Stadtverordneter, wird am Sonntag 70 Jahre alt

Wolfgang Cornelius, Potsdams ältester Stadtverordneter, wird am Sonntag 70 Jahre alt Von Günter Schenke Von Ruhestand will er nichts wissen. Körperlich agil und geistig wach eilt Wolfgang Cornelius  von Termin zu Termin. Am morgigen Sonntag wird der vielleicht bekannteste Geschäftsmann  und älteste Stadtverordnete Potsdams siebzig Jahre alt. Einen nicht unbedeutenden Tribut an die nahenden Siebzig zahlte  Cornelius im August vergangenen Jahres: Er verkaufte sein gut gehendes Geschäft in der Brandenburger Straße 53 an die Parfümerie-Kette „Douglas“. „Mir war bewusst, dass es mit Karstadt, für dessen Ansiedlung ich mich sehr eingesetzt habe, härter wird“, sagt er. Er hätte seinem Geschäft „noch mal die Sporen geben“ müssen, um weiter zu bestehen. „Das macht für einen Siebzigjährigen keinen Sinn“, bekennt er. Realitätssinn und das Erkennen, wo es im Geschäftsleben lang geht, zeichneten Wolfgang Cornelius seit jeher aus. So auch, als er sich nach dem Zusammenbruch der DDR entschloss, aus dem Rheinland in seine  Geburtsstadt Potsdam zurückzukehren. „Meine Frau war nicht gerade begeistert“, sagt er rückblickend. Aber er habe in den vielen Jahren immer Heimweh gehabt und so kam die politische Wende gerade recht, um einen Schnitt zu machen. Inzwischen sei auch seine Frau, die gelernte Kosmetikerin ist, begeistert und fühle sich wohl. „Die Potsdamer haben uns von Anfang an angenommen“ und so sei das Einleben leicht gefallen. Zwei Parfümerien betrieb Cornelius auf dem Potsdamer „Broadway“, auf dem Höhepunkt  beschäftigte er 22 Mitarbeiterinnen. Dabei war er bereits 55 Jahre alt, als er in seiner Geburtsstadt den Neuanfang wagte. Nötig hatte er es eigentlich nicht, denn er war Geschäftsführer einer Parfümerie-Kette mit neun Filialen zwischen Düsseldorf und Hannover. Und die liefen hervorragend. Mit seinem Geschäftsanteil aus dem Rheinland, den ihm sein dortiger Teilhaber ausbezahlt hatte, ging er zur Potsdamer Treuhand auf dem Industriegelände Rehbrücke und erbot sich, eine HO-Drogerie in der Brandenburger Straße zu kaufen. 30 000 DM musste dafür hinlegen, erwähnt er mit einem Lächeln. Dann bestellte  der Newcomer von der Firma Behnke Container, ließ die gesamten Innereien des HO-Geschäftes samt Waren entsorgen und richtete sich neu ein: 300 000 DM für die „nackte Einrichtung“ und noch einmal 40 0000 für die Waren. „Den Kunden in Potsdam wollten wir das gleiche exquisite  Niveau bieten wie denen am Kurfürstendamm.“ Das Konzept ging auf. „Ich hatte ja die Erfahrung und wusste, dass die Entwicklung in den neuen Bundesländern ähnlich verlaufen würde wie einige Jahre vorher in der alten Bundesrepublik.“ Im Verlaufe von wenigen Jahren entwickelten sich Schloss- und Luisenparfümerie in der Brandenburger Straße zu den vielleicht erfolgreichsten Geschäften dieser Art auf dem Territorium der ehemaligen DDR. Und dann der Schlusspunkt im Jahre 2004. Bleibt da nicht eine Leere zurück? „Das Gute ist, dass ich vor lauter Arbeit und Termindruck nicht dazu komme, darüber nachzudenken“, antwortet er auf diese Frage und nennt seine Tätigkeit als CDU-Stadtverordneter, die Fraktionsarbeit, die Mitwirkung in zwei Ausschüssen, im Aufsichtsrat des Verkehrsbetriebes und nicht zuletzt als Vorsitzender der AG City. Als eher schwergewichtiger Mann schwingt er sich aufs Fahrrad, um pünktlich zu Beratungen und Sitzungen präsent  zu sein. Mit klaren und wohl durchdachten Worten vertritt er seine Anliegen wie erst kürzlich, als er mit einem Antrag zur Bebauung der Berliner Vorstadt den hier geknüpften gordischen Knoten löste: Die Neubebauung des Kleingartenareals an der Berliner Straße 105 wurde vom kniffligen Problem der Villa Schöningen an der Glienicker Brücke abgetrennt. In der Potsdamer Kommunalpolitik ist Wolfgang Cornelius seit 1998 aktiv. Die Partei musste er sich nicht suchen, gehört er doch seit über dreißig Jahren der CDU an: „Konrad Adenauer und Ludwig Erhard sind meine Vorbilder.“ Grund für sein Engagement im Rathaus war die drohende Gefahr eines neuen Einkaufscenters am Hauptbahnhof, das die Brandenburger Straße noch mehr zur Schmuddelmeile gemacht hätte, als sie es ohnehin damals schon war. Halb stolz, halb belustigt zeigt Cornelius ein dürftig beschriebenes DIN-A4-Blatt mit dem Briefkopf „Drogerie Wolfgang Cornelius“ in Düsseldorf-Holthausen. „Das ist meine Eröffnungsbilanz am 1. Januar 1960“, erklärt er. Kassenbestand und  Ware ergaben ein Kapital von 9129,10 DM. Der heute wahrlich wohl situierte Mann hat ganz klein angefangen. In der Drogerie seines Vaters am Nauener Tor in Potsdam hat er den Drogistenberuf gelernt. Nach der Flucht der Eltern wegen willkürlicher Schikanen der DDR-Preiskontrollbehörde  im Jahre 1952, musste er im Westen noch mal einen Berufsabschluss machen, um mit 23 Jahren sein eigenes Geschäft aufmachen zu können. Wolfgang Cornelius, im dunklen Anzug und Krawatte, sitzt im schweren mit schwarzem Leder bezogenen Sessel seines Arbeitszimmers im Barockhaus in der Brandenburger Straße. Er scheint mit sich im Reinen zu sein. Doch nur bedingt. „Wenn ich noch fleißiger gewesen wäre, hätte ich noch mehr schaffen können“, sagt der Mann, für den ein Zwölf-Stunden-Arbeitstag zur Regel gehört. Seine große Liebe dokumentieren zahlreiche das Wohnzimmer zierende historische Potsdamer Ansichten. „Ich bin auf Potsdam geprägt“, sagt er beim Betrachten einer wertvollen farbigen Lithografie mit dem historischen Bild seiner Heimatstadt vom Brauhausberg aus gesehen. „Woanders findet man nichts Vergleichbares.“

Günter Schenke

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