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Aus dem GERICHTSSAAL: Folgenreiches Einparken

Baum umgefahren, mehrere Passanten erfasst

Gertraud G.* (65) ist sehr aufgeregt. Die Rentnerin verstieß noch nie gegen Recht und Gesetz. Und nun soll sie Schuld daran sein, dass zwei jüngere Frauen erheblich verletzt wurden. Das nagt an ihr. Der Staatsanwalt wirft ihr vor, am 18. November vergangenen Jahres mit ihrem Automatik-BMW beim Einparken in der Zeppelinstraße über die Parktasche hinaus auf den Gehweg gefahren zu sein, dort eine Fußgängergruppe erfasst zu haben. Weitere Folgen des missglückten Manövers waren laut Anklage ein verbeulter fremder Pkw, ein umgeknickter Baum sowie ein touchierter Balkon.

„Meine Mandantin vermag sich nicht zu erklären, wie es dazu kommen konnte“, ergreift der Verteidiger das Wort. Im Zweifel müsse man von einem technischen Versagen des älteren BMW ausgehen. „Dann werden wir ein Gutachten erstellen lassen. Das wird aber teuer“, gibt Amtsrichterin Waltraud Heep zu bedenken. „Kann es nicht sein, dass Sie Gas- und Bremse verwechselt haben?“, wendet sie sich an die Angeklagte. Gertraud G. räumt zerknirscht ein, eventuell doch einen Fehler gemacht zu haben. „Aber eigentlich war ich voll konzentriert. Ich hatte alles erledigt, was ich an diesem Tag vor hatte. Vielleicht hatte sich die Fußmatte verklemmt?“, überlegt sie. Den genauen Grund könne man sowieso nicht mehr ermitteln, da das Auto nach dem Vorfall nur noch Schrott war.

„Ich lief auf dem Bürgersteig, als ich plötzlich Motorengeräusch hinter mir hörte und drehte mich um. Ein Auto schoss richtig schnell auf mich zu“, erinnert sich Bianca B.* (37) im Zeugenstand. Obwohl sie versuchte, dem Gefährt auszuweichen, sei sie von ihm gestreift worden. „Kurz darauf kam der BMW an einer Hauswand zum Stehen“, so die Zeugin. „Welche Verletzungen hatten Sie?“, fragt die Vorsitzende. Die Glindowerin berichtet von Prellungen im Gesicht, einem gelockerten Zahn sowie einem gebrochenen Zeh. „Es ist aber alles wieder in Ordnung.“

„Aus meiner Sicht stand die BMW-Fahrerin mit dem Fuß auf dem Gas, als sie sich in die Parktasche manövrierte. Das habe ich am Geräusch erkannt“, erzählt Kerstin K.* (36). Auch sie wurde vom Auto der Angeklagten erwischt, erlitt Hautabschürfungen, Prellungen, mehrere Blutergüsse. Noch heute leide sie an einem Hämatom am Gesäß, das allerdings langsam kleiner werde. „Und mir ist eine Narbe am Knie geblieben.“

Da Gertraud G. nach dem Missgeschick umgehend Kontakt mit den Unfallopfern aufnahm, müsse sie nicht unbedingt verurteilt werden, entscheiden Staatsanwaltschaft und Gericht. Zur großen Erleichterung der 65-Jährigen wird das Verfahren gegen Zahlung von je 250 Euro an die Verletzten eingestellt. (*Namen geändert) Hoga

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