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Landeshauptstadt: Frisch geputzt für’s Fest

Die ersten Potsdamer Gänse durften gestern wieder ins Freie – dank einer Sondergenehmigung

Bornim/Neu Fahrland - Die Gänse konnten es nicht fassen. Gestern um 9 Uhr durften sie zum ersten Mal wieder ins Freie. Der Zaun ist weg, doch seine Vögel denken: „Der ist da noch!“, erklärt Bauer Ernst Ruden aus Krampnitz: „Gänse sind eben wahre Gewohnheitstiere.“

Seit dem 22. Oktober haben seine Tiere die Wiese nur noch durch den Maschendrahtzaun gesehen. Alles wegen der Stallpflicht, die Hühner, Enten und eben auch Gänse vor der Vogelgrippe schützen soll – eigentlich noch bis nächste Woche Donnerstag, dem 15. Dezember. Das Krampnitzer Federvieh darf nun per Sondergenehmigung schon früher zurück auf die Weide. Nur will es nicht so richtig.

Verdattert standen die 100 Gänse gestern da, wo vorher fast zwei Monate der Zaun den Weg ins Grüne versperrte und guckten. Bis endlich „ein paar ganz mutige Ganter die ersten Schritte über die Schwelle“ wagten, verging viel, viel Zeit. Noch am Nachmittag rannte der Großteil der Gänse im Kreis herum, um ihre neue Situation zu prüfen: „Die trauen dem Frieden noch nicht!“ meint Ruden.

Sein Geflügel habe schließlich eine harte Zeit hinter sich – auch wenn es nicht eng zusammengepfercht war, weil Ruden es in Freigehegen halten durfte. Über die hatte er extra Vogelschutznetze gehängt. „Das Grüne“ habe ihnen dennoch „sehr gefehlt“. Die ersten Wochen haben seine Gänse äußerst „schlecht gefressen“, so Ruden: „Die haben nur an der Seite gestanden und geguckt, was da für Netze über ihnen flattern.“ So wurden die Gänse zwar trotz Bewegungsmangel nicht zu fett, wie Ruden noch Mitte Oktober befürchtete, aber schmutzig. Das glänzende, weiße Gefieder sei im moddrigen Gehege ganz verklebt und sandig geworden. In Freiheit auf der Wiese werden sich die Gänse nun wieder „ordentlich putzen“, hofft Ruden, damit sie „schön sauber“ sind, wenn – ja wenn ihre letzte Stunde schlägt. Denn Schmutz und Sand in den Federn schaden der Rupfmaschine. Und in die kommen sie bald. Den Weihnachtsgänsen bleiben keine zwei Wochen. Ernst Ruden und einem anderen Geflügelhalter in Töplitz hat das Veterinäramt deren frühzeitige Entlassung aus der Schutzhaft erlaubt, weil die Tiere „wirklich sehr“ gelitten haben – so zumindest die Begründung der Potsdamer Amtstierärztin Renate Lehmann. Landwirt Gerhard Neumann vom Bornimer Erntegarten hat dafür kein Verständnis: Alle hätten eine Sondergenehmigung bekommen müssen, denn alle Tiere leiden unter der Stallpflicht. Auch sein Gefieder: Das hätte in der ersten Zeit einen „Schock“ gehabt.

Von seinen 200 Hühnern habe er 60 sogar schlachten müssen. Er habe aber nie eine Sondergenehmigung beantragt, weil er geglaubt hatte, die Schutzmaßnahmen seien angemessen und wichtig. Dass nun Ausnahmen erlaubt werden, bedeute, „dass die Maßnahmen überzogen“ waren, so Neumann: Dafür so viele Tiere zu quälen sei „pervers“. Wenn es mit den Vogelgrippe-Maßnahmen nächstes Jahr so weiter geht, könnte er statt den rund 500 Gänsen nur noch 300 halten. Denn länger als vier Wochen will er ihnen die Gefangenschaft künftig nicht zumuten. Dennoch gehe es seinen Gänsen den Umständen „entsprechend gut“. Schließlich wurden sie täglich mit Möhren und Äpfeln gefüttert. Doch die Freiheit werden seine Tiere nicht mehr genießen – am 15. Dezember beginnt Neumann mit der Schlachtung.

Trotz Vogelgrippe-Alarm sei die Zahl der Vorbestellungen für Potsdamer Weihnachtsgänse so hoch wie eh und jeh. Neumann und Ruden haben schon fast alle verkauft. Wer noch einen Festtagsbraten benötigt, kann zu den Bauernhöfen fahren. Gegen eine Anzahlung von 5 bis 10 Euro erhält er dort ein Kärtchen, das er später gegen eine frisch geschlachtete Gans tauschen kann. Die kostet rund 50 Euro.

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