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Relativität und Kabbala: Der Religionswissenschaftler Karl-Erich Grözinger stellt eine Verbindung her

Relativität und Kabbala: Der Religionswissenschaftler Karl-Erich Grözinger stellt eine Verbindung her Albert Einsteins Relativitätstheorie veränderte den Blick auf die Welt. Nicht nur auf dem Gebiet der klassischen Physik riefen seine Erkenntnisse einen tief greifenden Paradigmenwechsel hervor. Auch auf vielen anderen Gebieten, etwa der Künste und Geisteswissenschaften, hatte seine Erkenntnis, dass Raum und Zeit nur auf einen bestimmten Punkt bezogene Größen sind, den Dingen ihre Absolutheit genommen. Doch Albert Einstein war nicht der erste, der das fest gefügte Weltbild seiner Zeit anzweifelte. Bereits im 16. Jahrhundert hatte der jüdische Kabbalist Isaak Luria eine Idee vom Aufbau der Welt, die der Eindeutigkeit des ptolemäischen Weltbildes widersprach. Die Kabbala ist eine jüdische Geheimlehre aus dem Mittelalter. Dass Lurias Vorstellung in mancher Hinsicht der Einsteins ähnelt, ist für Karl-Erich Grözinger, Professor für Religionswissenschaft an der Universität Potsdam, Aufhänger für seinen Vortrag beim „Jahrmarkt der Wissenschaften“. Dabei möchte Grözinger seinen Zuhörern mit Isaak Luria, der von 1535 bis 1572 in Ägypten und Palästina lebte, nicht nur einen spannenden Denker der spekulativen jüdischen Mystik vorstellen, sondern auch bestimmte Ähnlichkeiten zwischen Lurias und Einsteins Relativismus aufzeigen – ohne dabei zu behaupten, dass Einstein Lurias Theorie gekannt hat. Isaak Luria hatte noch unter dem für die Juden Europas schockierenden Erlebnis der Vertreibung aus Spanien (1492) die Vorstellung entwickelt, dass die Welt in Stufen aufgebaut ist. Soweit folgt er noch Ptolemäus. Doch bei Luria hat jede Stufe der Welt eine Entsprechung auf der anderen Seite. So ist Gott, selbstredend die höchste und für den Menschen nicht zu erkennende Stufe. Gott ist jedoch auch in der Mitte dieses Weltgebäudes; gleichsam gerät das feste Weltbild aus den Fugen. Da alles, so erläutert Grözinger, je nach Position des Betrachters nur eine Frage der Perspektive sei, sei die Welt nunmehr nicht mehr fest zu vermessen gewesen. Um diesen Schritt nachvollziehen zu können, möchte Prof. Grözinger vor seinen – gegebenenfalls auch jungen Zuhörern – zuerst die in Lurias Zeit verbreitete Vorstellung vom Aufbau der Welt ausbreiten, um diese dann mit den Argumenten des Kabbalisten zu hinterfragen. Während die Erkenntnisse seines „Nachfolgers“ Einstein bekanntlich hohe Wellen schlugen, war die Zeit für Lurias Relativismus noch nicht gekommen. Zu wenig anschaulich, so Grözinger, war dessen Ansatz, als dass er das bequemere, weil fest gefügte Weltbild ins Wanken hätte bringen können. Vielmehr wurden Lurias Ideen bis in die Neuzeit immer wieder mit dem Hinweis, er habe dem Judentum geschadet, heftig angegriffen. Besonders gespannt darf man auf Prof. Grözingers Analyse von Einsteins Relativitätstheorie sein, die zumindest in ihrer heutigen Auslegung oft geradezu mystische Züge erhält. So wurde unlängst die Stadt mit blauem Klebeband zugekleistert, auf dem die nicht gerade jedem rational leicht zugängliche Formel e=mc² zu lesen stand. Diejenigen, die sie zu verstehen scheinen, suchen mit ihr nach einer „Welterklärungsformel“. Auch in der Kabbala besteht die Hoffnung, mittels der mystischen Kraft von Schriftzeichen, die darin mehr sind als bloße Bedeutungsträger, zu den letzten Dingen vorzustoßen. Moritz Reininghaus Der Vortrag findet morgen um 10 Uhr auf dem Jahrmarkt der Wissenschaften im Lustgarten statt.

Moritz Reininghaus

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