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Landeshauptstadt: Gerangel um den Bürgerbahnhof

Vereins-Konsortium gegen Maulwurf e.V.: Zwei Bewerber für Sanierung des Fachwerk-Ensembles

Potsdam-West - Potsdams ältester Bahnhof könnte nach der geplanten Sanierung ein Ausbildungsrestaurant für sozial benachteiligte und straffällig gewordene Jugendliche werden. In einem Schreiben an die Stadtverwaltung bewirbt sich ein aus zwei Vereinen und einer Tischlerei bestehendes Konsortium um die Sanierung und den Betrieb des historischen Bürgerbahnhofs, der im vergangenen Jahr vor dem Abriss bewahrt wurde. Nachdem sich die Stadt mit dem Eigentümer des Gebäudes vis á vis des Kaiserbahnhofs, der Deutschen Bahn AG, über einen Kaufpreis geeinigt haben soll, wird die Sanierung des Bürgerbahnhofs und des angrenzenden Bereichs bis zum 300. Geburtstag von Friedrich des Großen in sechs Jahren angestrebt.

In dem Schreiben an den Fachbereich Stadtplanung, der an den Kommunalen Immobilien Service (KIS) weiter geleitet worden sein soll, teilt Uwe Bläsing als Geschäftsführer der Ergokonzept AG mit, dass sich das Konsortium an „dem erforderlichen Vergabeverfahren“ beteiligen wird. Bislang war im Gespräch, dass der Maulwurf e.V. mit Chef Kay-Patrick Bockhold als neues Projekt den Bürgerbahnhof attraktivieren soll. Der Verein Maulwurf, der mit straffällig gewordenen Jugendlichen arbeitet, sanierte in den letzten Jahren das Haus Dortustraße 5 mit dem Varieté Walhalla sowie einem Jugendgästehaus. Das kurz vor dem Abschluss stehende Projekt wurde einst von Bläsing und Bockhold gemeinsam begonnen. Vor einigen Jahren kam es jedoch zum Bruch der Geschäftsbeziehung. Seitdem werden Prozesse gegeneinander geführt. Zuletzt scheiterte Bockhold mit der Maulwurf gGmbH vor dem Landgericht, als er Bläsing Veruntreuung von Gesellschaftsvermögen vorwarf und Schadenersatz in Höhe von 144 390,67 Euro einklagte. Das Landgericht Potsdam wies die Klage ab. Sie sei unbegründet, heißt es in der Urteilsbegründung aus den vergangenen Tagen.

Bereits nach der Ankündigung der Verwaltung, dass der Verein Maulwurf wohl der einzige sei, der ein Projekt wie den Bürgerbahnhof stemmen könne, erklärte Bläsing: Auch der Verein Neue Sozialarbeit, einst Träger des Maulwurf e.V., interessiere sich für die Sanierung und den Betrieb des historischen Gebäudes mit einem kleinen Lennéschen Garten.

Das Konzept Bläsings sieht vor, dass eine Tischlerei-Gesellschaft, der Qualifizierungsverein „Niederer Fläming“, sowie der Verein Neue Sozialarbeit Brandenburg mit Sitz in Potsdam das Sanierungsvorhaben als Ausbildungsbaustelle betreiben. Nach der Fertigstellung soll eine Bürgerbahnhof Gaststättenbetriebs GmbH das Objekt als Ausbildungsbetrieb für Projekte mit sozial benachteiligten und straffälligen Jugendlichen der Stadt Potsdam betreiben. Zudem unterbreitet Bläsing der Stadt das Angebot, das Konzept entsprechend zu erweitern, sollte die Stadt ein Interesse daran haben, das Grundstück zu veräußern.

Der Fachwerkbau mit Klinkern wurde 1868/69 errichtet und diente gelegentlich dem Empfang königlicher Gäste, bis Kaiser Wilhelm II. 1909 den Kaiserbahnhof gut 100 Meter weiter einweihte. Der Bürgerbahnhof diente fortan als Aufenthaltsort für Bahnbeamte sowie als Gaststätte. Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude ist eines der ältesten Fachwerkgebäude der Stadt und ältestes Bahnhofsgebäude Potsdams. Bahnchef Hartmut Mehdorn wollte es im Rahmen der Neugestaltung des Kaiserbahnhofs zur Führungsakademie der Bahn abreißen und das Areal zu einem „attraktiven Vorplatz“ machen. In einem Brief an Ministerpräsident Matthias Platzeck schrieb er einst: Weil die Stadt den Vorplatz nicht gestalte, werde die Bahn auch die Verkehrsstation nicht modernisieren – Schmutzecke bleibe Schmutzecke.

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