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Landeshauptstadt: Gewalt verlernen

In Heimen sollen Konflikte im Gespräch statt mit Fäusten ausgetragen werden

In Heimen sollen Konflikte im Gespräch statt mit Fäusten ausgetragen werden Zwölf Antigewalttrainer arbeiten seit kurzem in den Heimen der Stiftung Großes Waisenhaus, die von der Gemeinnützigen Gesellschaft zur Förderung Brandenburger Kinder und Jugendlichen (GFB) betrieben werden. Einbezogen ist auch der Potsdamer Jugendhilfeverband, in dem benachteiligte Kinder in Wohngemeinschaften zusammenleben. Der Einsatz der Trainer ist durchaus notwendig, denn im letzten Jahrzehnt haben Gewalt und Gewaltbereitschaft auch in stationären Einrichtungen weiter zugenommen, erklärte GFB-Geschäftsführer Norbert Lekow gestern bei der Vorstellung des Modellprojekts. Auch die Erzieher(innen) sind vor Angriffen nicht mehr sicher. Wie man sich Krisensituationen verhält und gewalttätigen Auseinandersetzungen vorbeugt, lernen die Erzieher bei dem langjährigen Sozialarbeiter Thomas Mücke, der sich “auf der Straße ebenso auskennt wie im Knast. Auch “Selbstschutz gehört zum Ausbildungsprogramm, keineswegs durch Erlernen von Kampfsportarten, sondern durch das Vermitteln “demütigungsfreier Einwirkungstechniken. So berichtete der als Antigewalttrainer geschulte Heimerzieher Nils Düwert, wie das Gerücht, ein Jugendlicher habe auf einer Ferienfahrt mit der Freundin eines anderen geschlafen, die von ihm betreute Gruppe spaltete und eine gewalttätige Auseinandersetzung auszulösen drohte. Dank der erlernten Techniken gelang es ihm, den Konflikt zu lösen, zumal sich das Gerücht als unbegründet erwies. “Doch danach fragen Jugendliche, die in der Clique und oft auch in der Familie Gewalt erfahren haben, meist nicht. Sie lassen gleich die Fäuste sprechen, verdeutlichte Düwert. Deshalb sei es außerordentlich schwierig, ihnen andere Möglichkeiten der Konfliktbewältigung zu vermitteln. Gerade dies ist aber der zweite Schwerpunkt des Modellprojekts. In Trainingskursen sollen die Jugendlichen “Gewalt verlernen. Am Ende steht ein Versprechen vor der Gruppe, darauf künftig zu verzichten. Der bisherige Verlauf des Projekts hat dazu geführt, dass sich die Erzieherinnen, von den 95 Prozent bereits mit Gewaltaktionen konfrontiert waren, jetzt in ihrer Arbeit sicherer fühlen. Von den gewaltbereiten Jugendlichen räumte in einer Umfrage inzwischen die Hälfte ein, dass sie ohne Änderung ihres Verhaltens “wahrscheinlich später im Knast landen werden. Mit dem Modellprojekt werden erstmals in Deutschland Mitarbeiter von Kinderheimen selbst als Antigewalttrainer ausgebildet. Bislang wurde in zugespitzten Situationen Hilfe von außen geholt. Die Anfangserfolge ermutigen die Stiftung Großes Waisenhaus, das Modell auch für Gewaltvorbeugung in Schulen, Diskotheken, Jugendklubs u.a. zu empfehlen. Sie sucht dafür derzeit Partner und wird im Oktober eine brandenburgweite Tagung zu diesem Thema veranstalten. Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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