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Sport: Herr im Ringe

Walfried Rollert aus Potsdam leitet seinen 246. Profiboxkampf

Walfried Rollert aus Potsdam leitet seinen 246. Profiboxkampf Von Jan Brunzlow Das Urteil hatte Folgen: Februar 1994, Graciano Rocchigiani kämpft in der Deutschlandhalle gegen Chris Eubank um den Weltmeistertitel. Unter den Zuschauern sitzt Walfried Rollert aus Potsdam. Der erfahrene Ringrichter der Amateurboxer kann sich noch heute an den Kampfabend erinnern, als sei es gestern gewesen. „Ich habe Rocky als Sieger gesehen“, sagt er und gibt zu, den Kampf durch eine Amateurbrille gesehen zu haben. 4152 Kämpfe stand er bis dato als Ringrichter bei Amateurboxveranstaltungen – davon 749 internationale Kämpfe – zwischen den Seilen. Doch auch heute noch, kurz vor seinem 246. Profikampf als Ringrichter, würde Walfried Rollert erneut für Rocchigiani punkten. 64 Jahre ist der Potsdamer inzwischen, ein Jahr wird der frühere Amateurboxer aber definitiv noch im Ring stehen. Das lassen die Statuten des Bundes Deutscher Berufsboxer (bdb) zu – wenn ein Beschluss gefasst wird, sogar noch länger. Begonnen hat alles 1953 in Magdeburg. Der 14-jährige Walfried begann bei Motor Magdeburg mit dem Boxsport und kam fünf Jahre später zu Motor Babelsberg. Als Aktiver – zuletzt im Weltergewicht – ging er aus 108 Kämpfen 84-mal als Sieger hervor und beendet 1963 seine Karriere. „Ich habe in dem Jahr aufgehört, in dem Manfred Wolke den DDR-Juniorenmeistertiel nach Babelsberg holte“, blickt Rollert an erfolgreiche Zeiten der Babelsberger Boxgeschichte zurück. Noch heute verbindet den Ringrichter eine Freundschaft mit dem Erfolgstrainer, auch wenn darauf im Ring keine Rücksicht genommen werden kann. „Wir unterhalten uns nach den Kämpfen, wie der jeweils andere das gesehen hat“, erzählt Rollert. Wolke hat sich für Rollert stark gemacht, als er 1995 in den Profi-Ringrichterbereich wechselte. Auch Axel Schulz gab damals sein Votum für Rollert ab, einen Kampf kam er als Dank dennoch nicht geschenkt. Auch mit Ulli Wegener, dem Trainer von Sven Ottke, ist Rollert privat befreundet. Inzwischen kann der Ruheständler auch auf Urteile aus Kämpfen von Axel Schulz, Regina Halmich oder zuletzt dem WM-Fight von Felix Sturm verweisen, wirklich Erreichenswertes gibt es für ihn nicht mehr. Es ist für den ehemaligen Angestellten der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten immer Hobby geblieben, Boxer im Ring auf saubere Technik zu ermahnen oder anzuzählen. Und manchmal, so wie zuletzt beim Comeback von René Monse (Magdeburg), will er nur, dass der Kampf schnell zu Ende geht. Es sind Auseinandersetzungen, bei denen die Boxer nicht zueinander passen und auch die Zuschauer eher uninteressiert dem Treiben im Ring zuschauen. „Dann denke ich, dass hätte er sich vielleicht doch nochmal überlegen sollen.“ Hat er einen Kampf hinter sich, reicht das auch für ein Wochenende, ein Boxkampf-Tourist ist er nicht. Auch nach dem Kampf um die deutsche Meisterschaft an diesem Wochenende zwischen Thiele und Schulz im Super-Weltergewicht in Velten reicht es für Rollert an diesem Wochenende, „am Sonntag muss ich doch zum Fußball“ – seiner zweiten Leidenschaft. Das Spiel der Fußball-Nationalmannschaft am Samstagabend gegen Island wird wegen seiner Abwesenheit auf Video aufgezeichnet und Sonntagfrüh angeschaut. Dann geht es zum SV Babelsberg 03 ins Stadion und am Abend heißt wieder die Daumen drücken. Er hält den Weltmeistertitel für die deutsche Frauen-Nationalmannschaft mit den vier Potsdamer Turbine-Spielerinnen für möglich. Bewerten muss er die Leistungen auf dem Fußballfeld aber nicht, dafür sind andere zuständig. Seine Kämpfe hat der Profi-Kampfrichter alle fein säuberlich in Büchern niedergeschrieben sowie mit Datum und Wertung versehen. Eine schöne Erinnerung an vergangene Zeiten. Die Entwicklung seit 1995, seinem Einstieg ins Geschäft der Profis, sieht er positiv. „Es gibt keine leere Halle, aber zu wenig gute deutsche Boxer in der Spitze.“ Viele seien nur eingedeutscht. Doch die Qualität leide darunter nicht. Für ihn hieß modernes Boxen schon immer die edle Kunst der Selbstverteidigung.

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