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Im Land der Widersprüche. Philipp Kühl vor dem prunkhaften Taj Mahal.

© privat

Von Anja Reischke: Indische Arbeitsbedingungen

Der Potsdamer Verwaltungswissenschaftler Philipp Kühl absolviert zurzeit ein Praktikum bei der Deutschen Botschaft in Indien

Den Horizont erweitern und Gelassenheit lernen, das hatte er sich unter anderem vorgenommen. Und das fällt in Indien auch nicht weiter schwer. Noch im Sommer hatte Philipp Kühl seinen Abschluss an der Universität Potsdam gemacht, nun arbeitet er an der Deutschen Botschaft in Indien, als Praktikant. Zwischen Internet-Recherchen, Briefwechseln und Protokollen macht der Verwaltungswissenschaftler immer wieder auch Abstecher ins Land.

So fährt er zum Beispiel mit vielen anderen in einen Zug gepfercht in Richtung Taj Mahal. Dabei tauchen auch große Widersprüche auf. Auf der einen Seite ist da das wunderbare Taj Mahal, für ihn ein Zeugnis großer menschlicher Phantasie. Andererseits ist der Weg dorthin eine Tortur, weil er sich entschlossen hat, wie die Arbeiter im Land zu reisen. Immer wieder begegnet er Neugier, doch er fühlt sich dann auch wieder als Weißer, als Ausländer und Reicher. Hier spürt er nun „ein Stück mehr mein Land, meine Leute, meine Mentalität, meine Psychologie...“ Eine wichtige Erfahrung, denn Reflexion sei immer wieder das, was auftaucht und zeichne vor allem einen inneren Weg, den der Potsdamer Absolvent mit und in Indien nun beschreite.

Dabei erscheint Indien auf den ersten Blick als ein Umweg. Denn in seiner Abschlussarbeit hatte sich Philipp Kühl noch mit der Türkei auseinandergesetzt. Doch nun geht für ihn in Indien das praktische Studium eigentlich weiter. Auch hier setzt er sich mit Lebenswegen und den Zusammenhängen zwischen Politik und Religion auseinander. Außerdem ist Indien von der Bevölkerungszusammensetzung her eines der größten islamischen Länder der Welt. Das Thema Islam blieb ihm also erhalten.

Auf die Frage, was er sich von dem Praktikum erhofft, antwortet er, dass es eine gute Referenz ist. Auch lerne er, die Dinge auf eine internationale Ebene zu heben. Das Auswärtige Amt ist eine Behörde und dementsprechend bürokratisch geht es häufig zu. Als Diplom-Verwaltungswissenschaftler ist Philipp Kühl allerdings schon theoretisch mit den Vorgängen vertraut.

Es gibt aber auch aufregende Momente. Etwa wenn der Uni-Absolvent zu einem Vortrag des Präsidenten der Malediven zum Thema Klimaveränderung fährt und dabei den deutschen Botschafter vertreten muss. „Da klopft das Herz schon mal ein paar Schläge schneller“, erzählt Philipp Kühl. Eine andere Aufgabe, die ihm sehr viel gebracht hat, war eine Veranstaltungswoche rund um den Mauerfall. Für sieben Tage war er an der Universität Delhi und hat dort Vorträge und Diskussionen begleitet.

Das Fazit des 25-Jährigen daraus: „Meine nächste Reise müsste eigentlich durch Deutschland gehen. Auf den Spuren meiner eigenen Geschichte. Wir werden sehen...“. Genauso wird er sehen, was ihm seine berufliche Zukunft bringen wird. Noch ein weiteres Praktikum erwartet ihn in Indien. Er wird von der Bürokratie in ein Unternehmen wechseln und sich dem Thema Diversity, Trainings und Consulting zwischen Kulturen widmen.

Und auch wenn der Potsdamer Absolvent zurzeit bei einer deutschen Institution arbeitet, Horizonterweiterungen und das Erlernen von Gelassenheit bleiben nicht aus. Denn die Arbeitsbedingungen sind doch sehr indisch. Stromausfälle, willkürliche Internetabschaltungen, überhaupt ein extrem langsames Internet und die Mentalität der indischen Partner begleiten ihn täglich. „Korruption an allen Ecken und Enden“, und das andere Verständnis davon, was ein Projekt oder eine Veranstaltung zu planen heißt, beschäftigen ihn.

Ende März will er wieder nach Deutschland zurückkommen. Dann werden die Karten neu gemischt und er begibt sich auf die Reise der Weiterentwicklung seiner beruflichen Identität. Wie die aussehen wird, ist für ihn noch offen. Das Auswärtige Amt ist für ihn vorerst nicht der Lebensweg, den er sich vorstellt. Alle drei Jahre ohne Selbstbestimmung umzuziehen, findet er schwierig. Vor allem, wenn man Familie haben will.

Doch nun ist erst einmal Indien dran, und der Botschaftspraktikant widmet sich dem Land und den Menschen. So flog er nach Kathmandu und verbrachte Weihnachten im Süden von Indien. Wer ihm weiter folgen will, kann das im Internet tun. Denn einer seiner Leidenschaften, dem Schreiben, geht er mit seinem Blog auch in Indien nach.

Der Blog im Internet

http://unterwegsgeschichten.blogspot.com/

Anja Reischke

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