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Homepage: Innovation als Rohstoff der Zukunft

Sonntagsvorlesung zur Entwicklung der Chemie

Sonntagsvorlesung zur Entwicklung der Chemie Noch steht auf der Unterseite eines fast jeden Joghurtbechers das Kürzel „PP“ – Polypropylen. Dieses wird bekanntermaßen aus Erdöl gewonnen. Und das wird ebenso bekanntermaßen immer teurer. Damit die morgendliche Milchspeise deshalb nicht zum Luxus wird, sucht die chemische Industrie nach einer Alternative zum herkömmlichen Verpackungsmaterial. Wenn dieses dann auch noch biologisch abbaubar ist, kommt das dem Umweltbewusstsein zugute. „Chancen nutzen, mit Risiken umgehen und dabei nachhaltig entscheiden“, beschrieb Dr. Ulrich Buller, Leiter des Fraunhofer Instituts für Angewandte Polymerforschung (IAP) in Golm, den Balanceakt, den die Zunft der Chemiker zu bewerkstelligen habe, damit sie auch in Zukunft zur Lebensqualität im Lande beitragen könne. Und das wird sie, daran hegt der Chemiker Buller keinen Zweifel. Bei der ersten Sonntagsvorlesung nach der Sommerpause führte er aus, dass wirtschaftliche, ökologische und gesellschaftliche Aspekte dabei sorgsam ausbalanciert werden müssten. Davon ausgehend, dass die Produkte der chemischen Industrie aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken sind, schlug Buller den Bogen zur Innovationskraft von Forschungseinrichtungen wie der seinigen. So habe das IAP maßgeblich an einer Anlage zur Gewinnung von Milchsäure aus nachwachsenden Rohstoffen am Leibniz-Institut für Agrartechnik in Bornim mitgearbeitet, deren Grundstein erst kürzlich gelegt wurde. Die Milchsäure kann zu biologisch abbaubaren Joghurtbechern, aber auch zu sich selbst abbauenden Verschraubungen von Knochenbrüchen verarbeitet werden. Besonders reizvoll für die Industrie ist das Milchsäureverfahren, weil bestehende Anlagen zur Polyesterfabrikation lediglich modifiziert werden müssen. Auch auf der Internationalen Funkausstellung sieht Buller chemische Innovationen. Organischen Leuchtdioden (OLED) könnten die bisherigen Flüssigkristalldisplays (LCD) ablösen, was bei Flachbildschirmen – derzeit der große Renner – große Fortschritte bringen könnte. Ärgerlich sei allerdings, dass es sich oft um Produkte handelt, bei denen deutsche Forscher die „Durchbruchsinnovationen“ leisteten und mit denen nun ausländische Konzerne das große Geld verdienen. Ein Phänomen, das Buller freilich nicht auf die Chemie beschränkt sieht. Vom Wankelmotor bis zur CD hätten sich deutsche Firmen immer wieder aus später lukrativen Bereichen zurückgezogen. Ein Beispiel aus jüngster Zeit sei das Musikformat MP3: vom Fraunhofer Institut entwickelt, kommt es heute weltweit zum Einsatz – von ausländischen Firmen vermarktet. Mit ähnlicher Sorge betrachtet Buller die Entwicklung, dass in Deutschland Staat und Unternehmen gleichermaßen nur noch bedingt bereit seien, in Bildung und Forschung und damit in die Zukunft zu investieren. Damit würde die Wettbewerbsfähigkeit des Landes aufs Spiel gesetzt, denn „unser Rohstoff heißt Innovation“. Manch ein Zuhörer der gut besuchten Vorlesung im Alten Rathaus wollte dann hören, dass Unternehmer ihre Pflicht, in die Zukunft zu investieren, nur zugunsten des Profits vernachlässigen. Buller sieht den Grund eher in mentalitätsbedingtem deutschem Sicherheitsdenken und dem Wunsch, sich auf Erreichtem auszuruhen. Moritz Reininghaus

Moritz Reininghaus

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