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Militärgeschichtler bringt Buch zur Wehrmachtsjustiz 1933-1945 heraus

Militärgeschichtler bringt Buch zur Wehrmachtsjustiz 1933-1945 heraus Als der Band „Die Wehrmachtsjustiz 1933 - 1945“ im Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) Potsdam seine Buchpremiere erlebte, fehlten einige der regelmäßigen Besucher. Ein Indiz, dass der Streit um die Rolle der Militärrichter im Dritten Reich noch immer nicht ausgestanden ist? Autor Dr. Manfred Messerschmidt, bis 1988 leitender Historiker am MGFA, ist in seinen jahrzehntelangen Forschungen zu dem Ergebnis gekommen, dass die Wehrmachtsjustiz ein wichtiges und williges Instrument des nationalsozialistischen Regimes war. Dafür sprechen 18 000 vollstreckte Todesurteile. Schon eine unvorsichtige Bemerkung konnte wegen „Wehrkraftzersetzung“ das Leben kosten. Die meisten Richter hätten nicht einmal ihren Spielraum genutzt, um die Urteile zu mildern, sie eher noch verschärft. Persönlichkeiten wie der Chef des Heeresjustizwesens Generalstabsrichter Karl Sack, der als Widerständler des 20. Juli 1944 hingerichtet wurde, waren die große Ausnahme. Der frühere SPD-Vorsitzende und Bundesjustizminister Hans-Jochen Vogel bestätigte in seiner Vorstellung des Buches Messerschmidts Darstellung, teils aus eigenem Erleben. Als junger Soldat war er 1945 in Erfurt gezwungen worden, die Erschießung eines nicht einmal 20-jährigen Kameraden mit anzusehen, der am Bahnhof ein Päckchen gestohlen hatte. Wie Messerschmidt hörte Vogel als Jurastudent nach dem Krieg Vorlesungen bei dem Marburger Strafrechtler Prof. Dr. Erich Schwinge, der den Militärrichtern ein „besonders ausgeprägtes Gefühl für Recht“ bescheinigte. Schwinge hatte jedoch selbst am Feldkriegsgerichts der Division Nr. 177 in Wien gegen mindestens acht deutsche Soldaten Todesurteile gefällt. Nach 1945 wurde im Westen kein einziger ehemaliger Wehrmachtsrichter verurteilt, die Mehrzahl fand eine neue Anstellung im Justizapparat. Erst der Schriftsteller Rolf Hochhuth rückte 1978 dieses „düsterste Kapitel in der Geschichte der deutschen militärischen Rechtsprechung“ (MGFA-Amtschef Oberst Dr. Hans Ehlert) ins Licht der Öffentlichkeit. Er deckte auf, dass der Baden-württembergische Ministerpräsident Hans Filbinger im Zweiten Weltkrieg als Marinestabsrichter Todesurteile gegen deutsche Deserteure gefällt hatte. Erst danach kann man von einer ernsthaften historischer Forschung zur Wehrmachtsjustiz sprechen, vor allem durch Manfred Messerschmidt. Er war dabei zahlreichen Anfeindungen ausgesetzt, denn die Frage nach den „Verbrechen der Wehrmachtsjustiz“ ist natürlich auch die Frage nach den „Verbrechen der Wehrmacht“. In seinem Buch weist der Historiker nach, dass die Richter im Einvernehmen mit den Generalen handelten, die ihre Gerichtsherren waren. So ließ der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, Großadmiral Karl Dönitz, in keinem Fall zu, dass Deserteure zu einer milderen als der Todesstrafe verurteilt wurden. In seinem Werk vernachlässigt Messerschmidt die Forschungen des in Potsdam angesiedelten Militärhistorischen Instituts der NVA zur Wehrmachtsjustiz. Die erreichten allerdings auch nur einen fragmentarischen Umfang, so der damalige Institutschef Generalmajor Prof. Dr. Reinhard Brühl. Die DDR besaß nur einen ganz geringen Teil der Akten, womit eine intensivere Forschung an Grenzen stieß. Dies hinderte die SED-Propaganda nicht daran, immer wieder auf die im westdeutschen Justizapparat tätigen „Blutrichter“ als Personifizierung der restaurativen Bestrebungen in der Bundesrepublik hinzuweisen. Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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