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Landeshauptstadt: Kaisers Bedienstete im teuren Galarock

Zwei historische Livreen in Sanssouci zu bestaunen

Zwei historische Livreen in Sanssouci zu bestaunen Von Erhart Hohenstein Sanssouci. Beim Rundgang durch Schloss Sanssouci können die Besucher seit gestern einen Blick auf zwei kostbare Kleidungsstücke werfen. Im Kammerdienerzimmer werden ein Galarock und eine Livree gezeigt, wie sie die Bediensteten von der Regierungszeit Friedrich Wilhelms IV. an bis zum Ende der Monarchie trugen. Die beiden Stücke, die von einem Auktionshaus angekauft und durch Textilrestauratorin Sigrid Gerlitz hergerichtet wurden, sind etwa 100 Jahre alt, also Bediensteten Kaiser Wilhelms II. zuzuordnen. Der ließ sich das schmucke Aussehen seiner Dienerschaft etwas kosten, denn der knielange Galarock aus schwarzblauen Tuch ist durch Silbertressen und eine Borte mit eingewebten preußischen Adler prächtig verziert. In die riesengroßen versilberten Knöpfe wurde das Hohenzollernwappen eingeprägt. Alle Tage durften sich die Bediensteten allerdings nicht so kostbar kleiden, der Galarock blieb besonderen Anlässen vorbehalten. Ihn trugen beispielsweise die Kutscher und Kutschpagen des Staatswagens Nr. 1, als sie Kronprinzessin Cecilie 1905 bei ihrem Einzug in Potsdam begleiteten. Ansonsten reichte eine Livree, deren dunkelblaues Tuch wesentlich sparsamer mit Silberborten besetzt war. Auch die Knöpfe, mit dem Stern des Schwarzen Adlerordens verziert, fallen etwa kleiner aus. Eine Kniebundhose, eine rote Weste und ein Zweispitz aus schwarzem Stoff komplettierten die Tracht, die ebenfalls geeignet war, Macht und Größe des Herrscherhauses auch durch die Dienerschaft zu repräsentieren. Seit der Zeit des Alten Fritzen war das so Sitte im Hohenzollernhaus, erläuterte bei der Vorstellung der Livreen Kunsthistorikerin Silke Kiesant. Die textilen Kostbarkeiten sind ob ihres Alters recht gebrechlich, scheuen das Licht, brauchen gleichmäßige Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Deshalb können sie längstens ein halbes Jahr ausgestellt werden und müssen dann zurück ins Depot. Immerhin bis dahin werten sie das Kammerdienerzimmer in Sanssouci auf, das nach seiner Restaurierung im Vorjahr in blassgrüner Farbe mit rahmenden schmalen rotbraunen Bändern recht nüchtern wirkt. Mit diesem kleinen Geviert, damals sogar nur weiß gekalkt und mit Königs Kleiderschränken vollgestellt, musste Michael Gabriel Fredersdorff vorlieb nehmen, der für Friedrich den Großen doch viel mehr war als ein Kammerdiener – Vertrauter, Privatsekretär, Verwalter der königlichen Privatschatulle und bisweilen für diplomatische Missionen eingesetzt. Außerdem diente der mit einem Kamin und einem Schlafalkoven ausgestattete Raum gar noch als Durchgangszimmer, wo Fredersdorff jeden vom Domestikenflügel in die Königswohnung eilenden Lakaien kontrollierte. Ähnlich Ungewöhnliches lässt sich über Johann Friedrich Ritz sagen, den „Kämmerer“ Friedrich Wilhelms II. Er musste sogar die Geliebte seines Königs zur Ehefrau nehmen. Auch Ritz wohnte in dem Zimmerchen, wenn sich Friedrichs Nachfolger in Sanssouci aufhielt – was er übrigens wesentlich häufiger tat als bisher angenommen. Wenn die Livreen wieder ins Depot wandern, wäre es keine schlechte Idee, das Kammerdienerzimmer dann mit den Porträts der beiden ungewöhnlichen Gestalten aus der preußischen Geschichte zu schmücken.

Erhart Hohenstein

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