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Landeshauptstadt: Kanuten, Christen, Ehemalige

Den Himmelfahrtstag nutzten viele Potsdamer – zum Treffen, Beten und Danken

Den Himmelfahrtstag nutzten viele Potsdamer – zum Treffen, Beten und Danken Von Henner Mallwitz Sie waren alle gekommen. SAT.1-Moderator Ulrich Meyer, EX-BB Radio-Programmdirektor Jürgen Karney, Franz Friedrich Prinz von Preußen und nicht zuletzt zahlreiche Potsdamer Stadtprominenz – angeführt von Oberbürgermeister Jann Jakobs. Der Kanu-Club Potsdam hatte zum zehnten Mal zur nunmehr schon traditionellen „Himmelfahrts-Tour“ geladen, aber die Paddelfahrt mit 150 Gästen nach Caputh und anschließender Party war gleichzeitig auch ein großer Dank an alle Freunde des KCP. Die ließen sich indes auch diesmal nicht lumpen: Zwei gesponserte Boote wurden nach ihren Geldgebern auf „O2“ und „Land Brandenburg“ getauft. Derzeit, so KCP-Chef Jürgen Eschert, seien sieben Potsdamer im U23-Nationalteam, fünf bei der Junioren-EM und sechs Kanuten im aktuellen Olympiakader vertreten. „Wir unterstützen den Kanusport in Potsdam mit unserem Brot“, so Bäckerei-Chef Frank Fahland. Bereits vor zwei Jahren kreierte er ein „Kanu-Brot“ – diesmal gibt es „Athen 04“ zum Anbeißen. „Von jedem verkauften Brot gehen 20 Cent an den Verein“, so der Bäckermeister. Vor und während der Olympischen Spiele wird seine Bäckerei die Athleten mit dem Brot beliefern. Auf den Beitrag von Siegfried Grube dürfen die Athleten während der Wettkämpfe zwar nicht zurückgreifen, können anschließend aber hoffentlich damit anstoßen. Der Rewe-Filial-Chef hat eine Sekt-Sorte ins Sortiment genommen: Von dem Schampus, auf dessen Etikett der Eingang des Luftschiffhafens abgebildet ist, kommt dem Verein je ein Euro pro verkaufter und zumeist von Olympiasiegern handsignierter Flasche zugute. Während Sportler, Promis und Kanufreunde die Paddel in die Hand nahmen, ging es im Babelsberger Park zu Christi Himmelfahrt etwas bedächtiger zu. Die Kirchengemeinde des Ortsteils hatte erstmals zum „Himmelfahrts-Gottesdienst“ eingeladen, und weit mehr als 150 Christen kamen – nicht zuletzt, um zumindest ein Stück ihres „seelischen Ballasts“ loszuwerden. Einen Ballon hatte Pfarrer Matthias Amme dafür gekauft und ein langes Band aus wetterfestem Papier. Und die Leute schrieben sich die Sorgen von der Seele. Den schlechten Chef und den Krieg auf der Welt, den Liebeskummer und die Arbeitslosigkeit, das Alkoholproblem und die ständigen Schmerzen in den Knien. Ab damit in den Himmel – die Kinder sorgten mit geschwungenen Luftschläuchen für genügend Wind. „Gleich beim ersten Mal war unser Gottesdienst im Freien ein Erfolg“, freute sich Pfarrer Stefan Flade. „Da werden wir das im kommenden Jahr sicherlich wieder machen.“ Ob die illustre Schar allerdings daran teilnehmen wird, die gestern nach guter Tradition gleich nebenan in Klein-Glienicke zusammensaß, bleibt abzuwarten. Denn seit der Wende treffen sich ehemalige Bewohner des Ortsteils im „Bürgershof“, um sich gemeinsam an die alten Zeiten zu erinnern. „Meine Mutter hat damals eine Brandbombe auf die Schippe genommen und warf sie aus dem Fenster“, erinnerte sich einer. Und Ruth Herrmann aus Rudow brachte die Morgenpost von 1962 mit. „Da wurde meine Oma in Klein-Glienicke beerdigt, wir durften aber als Flüchtlinge nicht hin“, erzählte sie. Die Fotos von den trauerndenVerwandten auf der anderen Seite des unmittelbar daneben verlaufenden Stacheldrahts prangerten das System auf der Titelseite an. Hans-Joachim Sänger hatte gleich nach Mauerfall fast hundert Ehemalige wieder ausfindig gemacht und das Traditionstreffen ins Leben gerufen. „Unsere Schule wurde 1975 abgerissen“, sagte er, zeigte alte Fotos vom einst schmucken Gebäude und fiel so manchem alten Kumpel um den Hals. Sie wollen sich wieder treffen, im nächsten Jahr zu Himmelfahrt. Die „Ehemaligen“, die ihr Heim inzwischen zumeist ganz woanders haben, die Kanuten und auch die Christen.

Henner Mallwitz

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