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Landeshauptstadt: „Katzenkopf“ für junge Mutter?

Verfahren gegen 400 Euro an Potsdamer Tafel eingestellt

Verfahren gegen 400 Euro an Potsdamer Tafel eingestellt AUS DEM GERICHTSSAAL Von Gabriele Hohenstein Schenkt man der Aussage von Sandy S. (20) Glauben, dann entwickelte sich der Einkauf am 14. April 2003 im Sterncenter für sie und ihr Baby zu einem wahren Horrortrip. Ahnungslos vor den Haarfarben bei „Real“ verweilend, soll ein Herr mittleren Alters plötzlich den „leicht schräg stehenden“ Kinderwagen mit ihrem kleinen Sohn brutal zur Seite gestoßen, gar fast umgekippt haben, so dass der Zwerg im Inneren vor Angst zu brüllen begann. „Na ja, er wollte weinen, aber ich habe ihn vorher auf den Arm genommen, um ihn zu trösten“, relativiert die Zeugin später ihre Angaben. „Ich habe den Mann gefragt, ob er keine Stimme hat. Wieso sagt er nicht, dass ich den Wagen zur Seite stellen soll, wenn er glaubt, nicht daran vorbeizukommen?“, fragt die Zeugin. „Aber er sagte nur, halt die Schnauze.“ Dann habe er ihr unvermittelt einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf versetzt. „Einen zweiten konnte ich gerade noch abwehren“, so die junge Mutter, die daraufhin die Polizei rief und mit großem Brimborium in die Rettungsstelle des Bergmann-Klinikums gebracht wurde. Hier attestierten ihr die Ärzte ein Schädel-Hirn-Trauma und eine Schädelprellung. „Ich sollte zur Sicherheit einen Tag auf der Station bleiben, aber ich habe mich wegen meines Babys entlassen lassen.“ Martin O. (44) – angeklagt wegen Körperverletzung und Beleidigung – hat eine ganz andere Sicht auf die Dinge jenes Frühlingstages. „Der Kinderwagen stand mitten im Gang der Kosmetikabteilung. Ich habe den Bauch eingezogen und mich daran vorbeigequetscht.“ Da der Platz dennoch nicht ausreichte, habe er das Gefährt leicht am Verdeck berührt und ein wenig zur Seite gedrückt. „In diesem Moment kam die junge Frau und sagte: Eh, du alter Sack, was soll denn das? Was bildest du Penner dir eigentlich ein? Da liegt ein Kind drin. Wenn dem jetzt was passiert wäre.“ In diesem Jargon, so der Gebäudereiniger, sei es noch einige Zeit weiter gegangen. Schließlich habe es ihm gereicht. „Ich habe ihr einen Katzenkopf gegeben und ihr erklärt, sie soll sich gefälligst in ihrer Ausdrucksweise mäßigen. Schließlich gehöre ich nicht zu ihrer Clique.“ Als die Polizei abends bei ihm zu Hause auftauchte, sei er sehr erstaunt gewesen. „Ich hätte nicht geglaubt, dass die Frau die Frechheit besitzt, mich anzuzeigen“, betont er vor Gericht. „Warum haben Sie nicht mit einer Gegenanzeige reagiert?“, wirft Amtsrichterin Kerstin Devriel ein und stellt das Verfahren mit Zustimmung aller Beteiligten gegen 400 Euro Geldauflage an die Potsdamer Tafel ein.

Gabriele Hohenstein

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