zum Hauptinhalt

DIE VON QUISTORPS: Keine Spur von Felix von Quistorp König, Kommandeur und Konstrukteur

Polizei setzt Suche nach Potsdamer Schüler des Evangelischen Gymnasiums Hermannswerder fort

Hohenthann/Potsdam - Weiterhin ohne jede Spur ist die bayerischen Polizei bei der Suche nach dem Potsdamer Felix von Quistorp. Der 14-jährige Schüler des Evangelischen Gymnasiums Hermannswerder wird seit Donnerstag vergangener Woche vermisst. Der Adelsspross hatte seine auf Schloss Weihenstephan bei Hohenthann in Niederbayern lebenden Großeltern besucht und dort mit seiner Mutter und seinen beiden Geschwistern Alexandra und Philipp das Weihnachtsfest verbracht. Er wollte am vergangenen Freitag mit seiner Mutter wieder nach Hause fahren. Nach dem Besuch eines Museums in Ingolstadt verließ er am Nachmittag noch einmal für einen Spaziergang allein das Schloss, seither fehlt jede Spur von dem Schüler. Am Abend meldete ihn sein Großvater Erasmus von Fürstenberg als vermisst.

„Wir haben leider noch keine Erkenntnisse über den Aufenthaltsort des Jungen“, erklärte gestern Leonhard Mayer, Sprecher der Polizei Landshut, auf PNN-Anfrage. Es gebe keine Hinweise auf eine Entführung oder ein anderes Verbrechen. In der Familie Quistorp habe es auch keinen Streit gegeben, es deute daher nichts darauf hin, dass der Junge weggelaufen sein könnte. Die Umstände des Verschwindens bezeichnete der Polizeisprecher als ungewöhnlich. Der Jugendliche habe sein Handy zurückgelassen und sich nicht wie üblich bei seiner Familie abgemeldet. Die Landshuter Kriminalpolizei hat eine mehr als 20 Beamte starke Sonderkommission gebildet.

Derzeit sind nach Angaben des Polizeisprechers keine Suchmannschaften mehr im Einsatz. Beamte befragten gezielt das Umfeld des Vermissten. Zudem begann die Polizei am gestrigen Nachmittag mit Verkehrskontrollen auf einer stark befahrenen Straße in Hohenthann. „Es könnte sein, dass jemand etwas festgestellt hat, der die Strecke regelmäßig befährt“, sagte Mayer. Am Neujahrswochenende hatten rund 300 Helfer von Polizei und Feuerwehr auf der Suche nach dem 1,80 Meter großen 14-Jährigen erfolglos mit Spürhunden und einem Hubschrauber mit Wärmebildkamera ein Waldgebiet bei Hohenthann durchkämmt. Der Ort hat etwa 4000 Einwohner.

Wenn auch die Ermittlungen von der Landshuter Polizei geführt werden, „arbeiten die Potsdamer Kriminalisten mit denen in Landshut zusammen“, sagte gestern die Potsdamer Polizeisprecherin Diane Jende den PNN.

Felix von Quistorp habe dem Polizeisprecher zufolge eine „gepflegte äußere Erscheinung“. Er spreche hochdeutsch und sei zuletzt mit einer Jeans, einem blau-rot geringelten Sweatshirt mit weißem Kragen, einem dunkelblauen Kurzmantel sowie braunen Stiefeln bekleidet gewesen. Der Gymnasialschüler entstammt einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie.

Laut „Bild“-Zeitung drängte Felix seine Mutter vor der Abreise nach Bayern, spätestens am vergangenen Freitag mit ihm nach Potsdam zurückzukehren. Dort habe er mit einem Freund Geburtstag feiern wollen. „Er freut sich seit Monaten auf diese Party, und ich hab ihm versprochen, dass er rechtzeitig dorthin kommt“, sagte die Mutter von Felix, geborene Baroness Maria Anna von Fürstenberg. „Wir haben keinen Anhaltspunkt, wo er ist, wir sind mit den Nerven völlig am Ende“, wird sie weiter vom Fernsehsender RTL zitiert. Die Familie des Vermissten ertrage die Ungewissheit zumindest äußerlich gefasst, berichtet der Hohenthanner Bürgermeister Peter Dreier. Der geschiedene Vater des Jungen, Karl-Alexander von Quistorp, hat am Sonntag eine Urlaubsreise abgebrochen, um nach Weihenstephan zu kommen. Dass der Junge ausgerissen sein könnte, glaubt der Vater nicht mehr: „Wenn einer fünf Tage fort ist, greift das für mich nicht mehr“, sagte er RTL. Laut PNN-Recherchen war Karl-Alexander von Quistorp ab Oktober 2001 Geschäftsführer der Entwicklungsgesellschaft Waldstadt/Wünsdorf/Zehrensdorf mbh (EWZ). Er war zudem Prokurist der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG), die wegen Überschuldung liquidiert wurde.

Großvater von Fürstenberg glaubt indes nicht an ein Verbrechen. Der Junge habe sich selbst etwas beweisen wollen, sagte er im Fernsehen.

„Wir hoffen, bangen und beten mit der Familie“, sagte gestern Frank Hohn, der Geschäftsführer der Hoffbauer-Stiftung, den PNN. Die Stiftung ist Träger des Evangelischen Gymnasiums auf Hermannswerder, das Felix von Quistorp besucht. „Wir wünschen uns sehr, dass Felix zum Beginn des neuen Schuljahres am kommenden Montag wieder da sein wird“, sagte Frank Hohn. Die Insel Hermannswerder wirkte gestern wie ausgestorben. Dafür hat sich die Nachricht über den Vermissten in der Schlegelstraße, wo die Familie wohnt, bereits herumgesprochen. Vor dem Haus Nummer 4 stand stundenlang ein Chrysler Van, in dem zwei Männer Zeitung lasen. Überbleibsel des Presseansturms vom Vormittag, meinte einer der Nachbarn. Ulrich Wetzel vom Nachbarhaus sagte betroffen: „So etwas hat es in Potsdam lange nicht gegeben. Wir haben Kinder im gleichen Alter, es ist wirklich schlimm. Das sind auch alles Leute, die man hier in der Gegend sieht, auf dem Spielplatz oder in den Straßen.“

Der ehemalige Potsdamer Polizeidirektor Peter Schultheiß (CDU), erklärte, er habe größtes Vertrauen zu den bayrischen Kriminalisten. „Ich weiß den Fall in guten Händen“, sagte er mit Blick auf den Spitzenplatz Bayerns bei der Aufklärungsquote. Schultheiß war in den 90er Jahren Ermittlungsleiter im Fall des entführten Geltower Gastwirtssohn Matthias Hintze, der in einem Erdverlies starb. Das Verschwinden Felix von Quistorps nannte Schultheiß „eigenartig“, er denke aber an „die manchmal nicht nachvollziehbaren Verhaltensweisen eines jungen Mannes in der Pubertät“. mit dpa/ddp

Felix von Quistorp ist verwandt mit Wernher von Braun, Konstrukteur der nazideutschen V2-Rakete. Später war von Braun Leiter der Redstone- Entwicklung, einer atomaren Mittelstreckenrakete der US-Armee. Maßgebend war er für das Apollo-Projekt, die Mondlandung 1969. Von Brauns Großvater und Namensgeber war Wernher von Quistorp (1856 -1908), Mitglied des Preußischen Herrenhauses. Dessen Ahnenlinie geht zurück bis Valdemar I., „der Große“, König von Dänemark (1131-1182). Von Quistorps machten Karriere in Preußens Armee, so war Barthold von Quistorp 1883 Generallieutenant und Lehrer an der Kriegsschule Potsdam. Der Name Quistorp geht auf den Ort Quisdorf nördlich Lübecks zurück. In Potsdam gibt es eine 1872/73 durch Ernst Petzholtz erbaute Villa Quistorp in der Hegelallee 1 .

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false