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Links und rechts der Langen Brücke: Kniefall vor Max Klaar

Michael Erbach ist nach der Rede von Jörg Schönbohm besorgt über die weitere Entwicklung beim Wiederaufbau der Garnisonkirche

In diesem Jahr soll die Stiftung für den Wiederaufbau der Garnisonkirche gegründet werden – endlich, möchte man meinen. Denn die Initialzündung für die Wiedererrichtung der 1968 gesprengten Kriegsruine liegt dann weit mehr als vier Jahre zurück. Dem voraus gegangen war eine jahrelange Diskussion innerhalb der evangelischen Kirche, ob ein Wiederaufbau Sinn macht. Zu groß schien die historische Belastung: Am 21. März 1933, dem „Tag von Potsdam“, wurde in der Kirche mit dem inszenierten Treffen zwischen Reichskanzler Hitler und Reichspräsident Hindenburg die, so Hitler, „Vermählung zwischen den Symbolen der alten Größe (Preußen, die Red.) und der jungen Kraft (Nationalsozialismus)“ vollzogen. Die Angst, eine neue Garnisonkirche könnte zu einem Wallfahrtsort für Preußen-Fans und Rechtsgerichtete werden, war groß. Erst mit der Idee, in dem Bau ein Internationales Versöhnungszentrum einzurichten, gelang es, den Kirchenkreis, aber auch die Mehrheit der politischen Gremien der Stadt und viele Potsdamer für das Projekt zu gewinnen. Vom Versöhnungszentrum ist schon nicht mehr die Rede – der Versöhnungsgedanke solle jedoch weiter eine tragende Rolle im Betreiberkonzept spielen, heißt es. Doch das Misstrauen wächst, dass die Projektverantwortlichen – vor allem aus Geldmangel – immer mehr von jenem Gedankengut abrücken, das den Chef des Vereins Potsdamer Glockenspiel, Max Klaar, bislang davon abhält, die gesammelten Spenden-Millionen für die Kirche herauszurücken. Es sind nämlich genau jene preußischen Tugenden, an denen Klaar unbeirrbar festhält, denen Innenminister Jörg Schönbohm beim Neujahrsempfang des Fördervereins Garnisonkirche das Loblied sang. Es war eine intelligente Rede, so bemerkenswert, dass sie von den PNN dokumentiert wurde – als Anregung zur Diskussion. Treue, Redlichkeit, Bescheidenheit, Pflichtbewusstsein, Demut sind preußische Tugenden, Werte, auf die sich die Menschen heute, so Schönbohm, zurückbesinnen müssten. Das ist absolut akzeptabel, sind es doch auch allgemeine Tugenden. Das Loblied verschwieg aber, dass es gerade in der preußischen Geschichte genügend Beispiele dafür gab, dass preußische Tugenden missachtet wurden oder aber beim Festhalten daran in die Katastrophe führten. Wenn es aber schon um Tugenden geht, fehlte ebenso die Erwähnung einer anderen Tugend: Toleranz. Das Toleranzedikt von 1685 ermöglichte die Aufnahme reformierter Hugenotten in das lutherische Preußen. Welch ein Akt der Toleranz – und welch ein Zeichen der Versöhnung. Diese Seite Preußens nicht zu erwähnen, war nichts weiter als ein Kniefall vor Klaar, der den Versöhnungsgedanken als grundlegenden Bestandteil eines Garnisonskirchenkonzepts ablehnt. Allerdings wurde damit den Bedenkenträgern in die Hände gespielt – das Projekt Garnisonkirche gerät zunehmend ins Zwielicht.

Michael Erbach

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