zum Hauptinhalt
Speditionsfirmen in Potsdam fehlt es an Kraftfahrern.

© dpa

Transportunternehmen in Potsdam: Kraftfahrer gesucht

In Potsdam und Umgebung mangelt es trotz steigender Azubi-Zahl an Nachwuchs, die Kraftfahrer werden wollen. Jetzt sollen Flüchtlinge ran.

Die Potsdamer Lage ist für Speditionsfirmen optimal, wegen der Nähe zu Berlin boomt das Geschäft. Eigentlich sind die Voraussetzungen also perfekt. Doch es fehlt an Kraftfahrern. Mit einem gemeinsamen Ausbildungsstandort mehrerer Transportunternehmen wird in Potsdam jetzt versucht, dem Mangel entgegenzuwirken. Auch Flüchtlinge will man in die Branche integrieren. Das sagte Ralf Hahn von der Speditionsfirma Krage Potsdam bei einem Treffen der an dem Ausbildungszentrum beteiligten Unternehmen.

Angesichts zahlreicher freier Stellen im Sektor – Schätzungen zufolge in der Region etwa 400 – „muss man auch neue Potenziale erschließen“, sagte Hahn unter anderem mit Blick auf die nach Deutschland kommenden Flüchtlinge. Aber auch mit osteuropäischen Kraftfahrern habe man entgegen häufiger Vorurteile gute Erfahrungen gemacht. Problematisch seien zum Teil Sprachdefizite, das schließe dann eine Beschäftigung für Spezialaufträge aus – für Standardfahrten seien diese jedoch nicht vonnöten.

Ausbildung muss auf Deutsch abgeschlossen werden

Matthias Lang vom Stadtrundfahrt-Unternehmen „Potsdam City Tours“ bemängelte in diesem Zusammenhang gesetzliche Hürden – etwa, dass Tests am Ende einer Kraftfahrerausbildung auf Deutsch abgeschlossen werden müssen. Seinen Erfahrungen zufolge scheiterten viele Bewerber schlicht an Sprachdefiziten, obwohl Fachkenntnisse vorhanden seien.

Insbesondere im Tourismusbereich – mit dem „Potsdam City Tours“ viel zu tun hat – sei Englisch oft wichtiger als gute Deutschkenntnisse. Er fände es daher gut, wenn von der für die Tests zuständigen Industrie- und Handelskammer (IHK) auch Prüfungen auf Englisch angeboten würden. Er selbst sei erst am Mittwoch in einem Potsdamer Flüchtlingsheim gewesen, um Busfahrer zu werben, sagte er.

Hoffen auf neue Azubis

Die Ausbildungsbasis in Potsdam mit ihren zwei Standorten am Verkehrshof und am Humboldtring wurde von Fahrlehrer Gunter Erbes und seinem Kollegen Detlef Kuphal ins Leben gerufen, der die Geschäftsführung der Basis übernommen hat. Sie holten drei Bildungsträger, sechs Praktikumsbetriebe und 30 Transportunternehmen mit ins Boot. Zudem werde mit dem Arbeitsamt kooperiert, sagte Kuphal, „auch wenn man da öfter mal nachhaken muss“. Durch den Fokus auf einen großen Lernort in Kooperation mit mehreren Unternehmen erhofft man sich zusätzliche Auszubildende.

Projektkoordinator Klemens Lücke wies darauf hin, dass die in den Karteien der Arbeitsagentur vermerkten Arbeitssuchenden bei genauerem Hinsehen häufig nicht die nötigen Qualifikationen hätten. Auch branchenspezifischen Veranstaltungen der Arbeitsagentur seien oft nicht gut organisiert, sagte Erbes. Arbeitsvermittler hätten dort Rückfragen der Interessenten nicht beantworten können.

Mangel an Lkw-Fahrern in Potsdam

Peter Limpächer von der Arbeitsagentur räumte Verbesserungsbedarf ein: Man wolle „weg von Mengenbewältigung und hin zu qualifizierter Vermittlung“. Etwa ab Herbst 2016 sei mit Veränderungen zu rechnen. Die Ausbildungszeit zum Berufskraftfahrer beträgt fünf Monate, ein zweimonatiges Praktikum und Fahrerschule einbegriffen. „Jedem Absolventen bieten wir mindestens vier offene Stellen an“, so Projektkoordinator Lücke. „Es bleibt keiner übrig – wenn er nicht arbeitsscheu ist.“

IHK-Sprecher Wolfgang Spieß sagte, dass in diesem Jahr im Einzugsgebiet der Arbeitsagenturen Potsdam und Neuruppin für den Bereich Transport und Verkehr bereits 152 neue Ausbildungsverträge eingetragen worden seien – 14 mehr als im gesamten Vorjahr. Dennoch: „Es gibt auf jeden Fall einen Mangel an Lkw-Fahrern, bei Busfahrern ist das nicht so stark zu spüren.“

Besseres Image für den Beruf

Das habe auch mit der Konkurrenz kommunaler Busunternehmen zu tun, die gut bezahlen, so Ausbildungsleiter Erbes. Man sei dort anders als bei Fernstreckenfahrten auch nicht mehrere Tage unterwegs. Ein anwesender Vertreter der Edeka-Gruppe gab indes zu bedenken, dass selbst die Supermarktkette – die ein Einstiegsgehalt von 2400 Euro brutto zuzüglich Aufschlägen biete – Nachwuchsmangel habe. Und das ohne Fernstrecken.

Man müsse dem Beruf des Kraftfahrers insgesamt wieder ein besseres Image verpassen, forderte Erbes: „Viele sind mit ihrem Job nicht zufrieden und erzählen das weiter – da brauchen wir uns nicht wundern, wenn die Arbeit niemand mehr machen will.“ Man könnte zum Beispiel eine attraktive Werbekampagne starten, schlug Limpächer von der Arbeitsagentur vor. Kuphal machte abschließend auf die Wichtigkeit der Logistikbranche aufmerksam: „Stellen Sie sich vor, es gibt irgendwann keine Kraftfahrer mehr. Dann funktioniert gar nichts mehr.“

Zu den ausschließlich auf Deutsch zu schreibenden Abschlussprüfungen sagte IHK-Mann Spieß: „Wir registrieren auch, dass die Durchfallquote in der theoretischen Prüfung am größten ist.“ Allerdings seien für den Titel als Berufskraftfahrer Deutschkenntnisse auf B 2-Niveau – also fortgeschrittene – erforderlich. Ob man dies ändern wird, sei in der Diskussion.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false