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Landeshauptstadt: „Krone“ für den Kutschpferdestall

750 Plätze für Dreispartentheater 1978 geplant / 1992 war das Projekt kurze Zeit wieder aktuell

Zur wechselvollen Geschichte des Theaterneubaus in Potsdam gehören die Pläne für ein Dreispartentheater mit 750 Sitzplätzen Ende der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Es sollte hinter dem Kutschpferdestall am Neuen Markt gebaut werden.

Ute Holubek aus der Brandenburger Vorstadt machte die PNN auf diese Pläne aufmerksam und stellte aus ihrer fünfzig dicke Ordner umfassenden Sammlung über die Potsdamer Stadtgeschichte das Heft 4 der Zeitschrift „Bauten der Kultur“ aus dem Jahre 1978 zur Verfügung. Schon auf dem Titelblatt der vom Berliner „Institut für Kulturbauten“ herausgegebenen Zeitschrift prangt eine Zeichnung des Kutschpferdestalls, über den der neue Theaterbau emporragt. Allerdings ist die Darstellung beschönigend. Sie zeigt nämlich nur die Oberkante des Zuschauersaales. Dahinter erhebt sich der 15 Meter hohe Bühnenturm, der nicht dargestellt ist.

Joachim Näther, Direktor des Instituts, und Herbert Eßmann stellen in einer neunseitigen Titelgeschichte das Projekt detailliert vor. Ein modernes Theater im historischen Umfeld mit allen notwendigen Haupt- und Nebeneinrichtungen sollte entstehen. Und so schreiben die Autoren: „Richtungweisend für die zu erarbeitende Lösung war die Vorgabe eines konkreten Standortes im Zentrum von Potsdam mit der reizvollen Bindung, ein kulturhistorisch wertvolles Gebäude aus dem Jahre 1789, den Kutschstall, in die Gesamtlösung einzubeziehen. Zugleich bot sich hierdurch die Chance, dieses Gebäude zu erhalten, es einer adäquaten Nutzung zuzuführen, mit der bewussten Einbeziehung der Atmosphäre des zukünftigen historischen Theatervorplatzes als Außenfoyer“ den Besucher auf das bevorstehende Theatererlebnis einzustimmen und der Lösung eine architektonische Unverwechselbarkeit zu verleihen.“

Die Lösung der „Theaterfrage“ erschien dem damaligen Rat der Stadt notwendig, weil die Spielstätte in der Zimmerstraße kaum der Bedeutung, die das Hans-Otto-Theater seit seiner Gründung 1949 erlangt hatte, zu entsprechen schien. Fast 600 Vorstellungen gab das Ensemble im Jahr 1978 für über 200 000 Besucher. Das Theater nahm an den Berliner Festtagen teil, Rundfunk und Fernsehen übertrugen Inszenierungen und Konzerte. Insgesamt konnten sich die Leistungen der Potsdamer Theaterleute in der DDR-Kulturfamilie sehen lassen. Dazu im Missverhältnis stand die kleine Bühne in einer ehemaligen Tanzgaststätte. Deren Bausubstanz war unzureichend und verschlissen, so dass die Abteilung Kultur des Rates der Stadt Potsdam die Auffassung verbreitete, eine Rekonstruktion des Hauses in der Zimmerstraße sei „aus ökonomischen Gründen“ nicht vertretbar. Bauliche Erweiterungen mussten zudem mit den Interessen der damaligen Staatlichen Schlösser und Gärten kollidieren, denn das Theatergrundstück grenzt unmittelbar an den Garten der Villa Liegnitz im Park Sanssouci.

Nach den Plänen des Instituts für Kulturbauten hätte der Zuschauersaal wenige Meter hinter dem Kutschpferdestall auf dem freien Platz, der damals vom Großhandel für Obst und Gemüse genutzt wurde, gestanden. Dahinter hätte sich der Bühnentrakt mit dem 15 Meter hohen Bühnenturm bis fast an die Plantage erstreckt. Studiobühne und Probebühnen waren in Richtung Yorckstraße geplant und ein großes Verwaltungsgebäude in Richtung Werner-Seelenbinder-Straße. Das Portal des Kutschpferdestalls wäre der Theatereingang gewesen. Die Anlieferung der Theaterdekoration sollte von der Yorckstraße an der Rückseite des Theaters erfolgen. Im Kutschstall hätten sich die Theaterkasse sowie ein Restaurant befunden. Die Planungen waren bis ins Detail vorangetrieben. Genaue Vorstellungen bestanden über die Akustik im Zuschauerraum und über die lüftungstechnischen Anlagen. Letztere waren nach energiesparendem Prinzip konzipiert, um 40 Prozent der sonst anfallenden Energiekosten sowie 15 Prozent der Investitionskosten zu sparen. „Die Leitung der gesamten schadstofffreien Abluft über Regenerativ-Energieüberträger ermöglicht eine Frischluftvorwärmung mittels der Abluftwärme und dadurch Energieeinsparungen von etwa 35 Prozent“, hieß es.

Die Bühnen- und Studiotechnik war vom Feinsten: Doppelstockdrehbühne, Personenversenkungen innerhalb und außerhalb des Bühnenbereiches, Hubpodium im Orchestergraben, zwei Probenbühnen, hochmoderne Bühnenbeleuchtung und für damals bemerkenswert – der behindertengerechte Zugang. Aus den Plänen wurde nichts, vielmehr ist das Bestandsgebäude anschließend notdürftig überarbeitet und der Foyerbereich im Freien verbessert worden. Vermutlich fehlende Mittel oder nicht vorhandene „Baukapazitäten“ ließen die Pläne in den Schubkästen verschwinden. Vielleicht war auch die Lobby der Gemüsehändler stärker als die der Kultur.

Erst nach der Wende kamen die alten Pläne wieder zum Vorschein. Nach den Tagebucheintragungen des damaligen Stadtrates für Stadtentwicklung, Peter von Feldmann, brachte sie Peter Busch vom Bauministerium am 11. Dezember 1991 ins Büro der Bauverwaltung. „Leider hat ihm (Busch, Anm. d. Red.) Kalesse wieder aufgeschwatzt, dass die nur noch mit einem Stummel vorhandene Remise hinter dem Kutschstall ein Denkmal sei, obwohl nur der Kutschstall selbst in der Denkmalliste steht“, schreibt von Feldmann über Andreas Kalesse von der Denkmalbehörde. Im Januar 1992 votierte bereits der Kulturausschuss nach einer Untersuchung des Stadtplanungsbüros „Topos“ für den Bau des Theaters vor der Plantage. In der Stadtverordnetenversammlung vom 15. Januar 1991 war das Topos-Modell im Plenarsaal aufgebaut. Doch schon im April ließ der Kulturausschuss diese Idee wieder fallen.

Es war wohl der Nachwende-Intendant, der Schweizer Guido Houonder, der zuerst die Schiffbauergasse als neuen Standort aufbrachte. Die Architekten Gottfried und Stefan Böhm lieferten den Entwurf. Sie waren 1995 aus einem Wettbewerb für einen Theaterneubau an der Zimmerstraße als Erste Preisträger hervorgegangen. Für die Schiffbauergasse haben sie eine billigere Variante des ursprünglich für über hundert Millionen DM geplanten Theaters erarbeitet. Der rund 26,5 Millionen Euro teure Bau wird im September eröffnen.

Wer einen bisher nicht verwirklichten Architektur-Entwurf für die PNN-Serie „Luftschlösser“ vorschlagen möchte, meldet sich unter Tel.: (0331) 2376 134, Fax: (0331) 23 76 300 oder per E-mail an lokales.pnn@pnn.de.

Günter Schenke

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