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Homepage: Kulturen im Wandel

Neuausrichtung der Philosophischen Fakultät

Der Schriftsteller Vladimir Nabokov musste bereits in jungen Jahren wegen der politischen Tätigkeit seines Vaters vor der Oktoberrevolution ins Exil fliehen. Dass er fortan auf ein eigenes Heim verzichtet und stattdessen drei Viertel seines Lebens mit seiner Familie in möblierten Zimmern, Wohnungen und Häusern gewohnt hat – nach dem Erfolg seines Romans „Lolita“ schließlich auch 16 Jahre in einer Hotelsuite am Genfer See – ist zweifelsohne eine bemerkenswerte biografische Notiz. Aber trägt das Wissen darum zu einem besseren Verständnis der sich im Zuge der Globalisierung verändernden Gesellschaften bei?

„Kulturen in/der Mobilität“ war der Titel eines dreitägigen Symposiums, das die philosophische Fakultät der Universität Potsdam am Ende der vergangenen Woche ausgerichtet hat. Zunehmende Mobilität immer größerer Teile der Gesellschaft – so die These – löse Kulturen aus ihren traditionellen Verankerungen. Die Blickrichtung der Geisteswissenschaften auf die verschiedenen Ausprägungen von Kulturen müsse darum neu ausgerichtet werden: von Verortung hin zu Entortung.

Eine Definition des Kulturbegriffs wurde dabei bewusst vermieden. Die aufgeführten Ausprägungen von Mobilität, wie Arbeitsmigration oder Tourismus, legen zwar eine Verwendung des Begriffs Kultur im Sinne von Nationalstaat nahe, doch wurde diese Deutung auf Nachfrage explizit zugunsten einer offenen Definition zurückgewiesen. Schon die – zu hinterfragende – These eines Bedeutungsverlusts von Nationalstaaten oder anders ausgedrückt, die Lösung aus traditioneller Verankerung, wäre in der Globalisierungsdebatte nicht wirklich neu. Die These aber, alles was sich unter dem offenen Kulturbegriff fassen lässt, löse sich aus traditioneller Verankerung, unterliege also einem Wandel, unterscheidet sich kaum noch von der Aussage „Alles fließt“, die Heraklit bereits vor zweieinhalb Jahrtausenden formuliert hat.

Dabei sollte das Symposium doch der Beginn eines mehrstufigen Prozesses sein, der einer Neuausrichtung von Forschung und Lehre dient. Kultur-, Sprach- und Medienwissenschaftler sollten fächerübergreifend mit Historikern diese Neuausrichtung diskutieren. In eine Folgeveranstaltung, die für den Juli geplant ist, sollen zudem Vertreter der jüdischen Studien und der Religionswissenschaften einbezogen werden. Auch befindet sich die Entwicklung eines Masterprogramms für „Mobility Studies“ in Planung, das im kommenden Wintersemester starten soll.

Stattdessen wurde über „Kulturtransfer, Migration und Militärsystem in der zweiten Frühneuzeithälfte“ referiert, ein Thema, das für sich genommen sicher seine Berechtigung hat, ohne Bezug zur heutigen Zeit aber kaum den ambitionierten Zielen der Veranstaltung gerecht wurde. Sebastian Ehrlich

Sebastian Ehrlich

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