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HOCHSCHULPOLITIK: „Kunst muss Vertrauen wiederherstellen“

Brandenburgs stellvertretende Juso-Vorsitzende Maja Wallstein legt Wissenschaftsministerin Sabine Kunst den Rücktritt nahe

Frau Wallstein, Sie haben Wissenschaftsministerin Sabine Kunst den Rücktritt nahegelegt. Warum?

Ich habe ihr gesagt, dass ich es begrüßen würde, wenn sie auf die Zwangsfusion der Lausitz-Hochschulen verzichten würde. Die Jusos, die Juso-Hochschulgruppen und viele andere in Cottbus würden ein ergebnisoffenes Gespräch mit den Betroffenen für eine einvernehmliche Lösung unterstützen. Dafür hätte Frau Kunst sicher auch die Unterstützung der 42 000 Menschen, die gegen die Fusion unterschrieben haben. So könnte sie das verlorene Vertrauen wiederherstellen. Frau Kunst hätte unsere Unterstützung für eine einvernehmliche Lösung. Wenn sie sich dazu allerdings nicht in der Lage sieht, weil ihr vielleicht der politische Spielraum fehlt oder aus anderen Gründen, dann stellt sich die Frage, ob sie das eigene Schicksal zu sehr mit dem der Zwangsfusionsplanung verbunden hat. Sie sollte dann gegebenenfalls, so meine persönliche Auffassung, auch konsequent sein und zurücktreten.

Was stört Sie an den Fusionsplänen?

Es handelt sich um eine Zwangsfusion, da einer der Hauptakteure, die BTU Cottbus, also die Studierendenschaft, die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Hochschullehrerschaft und die Hochschulleitung, mit den Plänen nicht einverstanden ist. Die Ministerin verletzt die Hochschulautonomie, das Vorgehen ist undemokratisch.

Könnte eine gemeinsame Hochschule in der Lausitz nicht zukunftsfähiger sein?

Das bezweifeln die Jusos, die Juso-Hochschulgruppen, die Volksinitiative, die BTU Cottbus, die Cottbuser Stadtverordneten, die Expertenkommission der BTU oder etwa der Berliner Wissenschaftssenator a. D. Professor George Turner und viele andere aus sehr guten Gründen. Auch Friedrich Buttler, der Vorsitzende der Hochschulstrukturkommission, hat auf der Veranstaltung der SPD-Fraktion vom 28. August Zweifel gegenüber einem Fusionsplan geäußert. Gefährdet ist bei einer Zwangsfusionslösung vor allem der Fachhochschulteil, wie vergleichbare Fusionsexperimente zeigen, worauf auch Professor Turner hingewiesen hat. Wir fordern eine einvernehmlich getragene Lösung. Auf eine Einigung gerichtete Gespräche wurden bislang aber nicht geführt. Es wurde bereits viel Porzellan zerschlagen. Frau Kunst sollte sich selbst fragen, ob nicht eine einvernehmliche Lösung gefunden werden sollte.

Welche Vorstellung haben Sie für die Lausitz?

Die Kooperation der beiden Hochschulen zu stärken, ließe sich erreichen, indem man Anreize schafft. Das überholte Mittelverteilungsmodell fördert hingegen unsinniges Konkurrenzverhalten und verhindert die Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen. Trotzdem gibt es bereits ein gemeinsames Institut der BTU Cottbus und der FH Lausitz. Diese Kooperationbereitschaft lässt sich ausbauen.

Was halten Sie vom Vorschlag der Buttler-Kommission, die Juristische Fakultät der Universität Potsdam nach Frankfurt (Oder) auszulagern?

Nichts. Die Potsdamer Fakultät liegt nur knapp unter dem Bundesdurchschnitt, was die Zahl der Absolventen pro Professor betrifft. Ein neueres Gutachten zeigt zudem, dass in der Region Juristen fehlen. Man sollte beide Fakultäten erhalten, mit dem Ausbildungsziel Staatsexamen. Ohne das Staatsexamen wird eine Fakultät nicht anerkannt. Eine Abwicklung würde den Ruf der Universität Potsdam beschädigen.

Sie kritisieren auch die Bildungspolitik ihrer eigenen Partei.

Der wichtigste Punkt ist die Unterfinanzierung der Hochschulen in Brandenburg. Ich zweifle manchmal daran, dass die Hochschulen als das gesehen werden, was sie sind, nämlich Wirtschaftsmotoren, Arbeitgeber, die Fachkräfte hervorbringen, und ein Schutz gegen die negativen Folgen des demografischen Wandels. Hochschulen sind ein ganz wesentlicher Standortfaktor, sie ziehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Unternehmen und junge Menschen an, die zum Großteil im Land bleiben. Ich habe aber Anlass zu zweifeln, dass die im rot-roten Koalitionsvertrag festgeschriebene Prioritätensetzung für die Wissenschaft auch umgesetzt wird. Brandenburg könnte mehr leisten, macht es aber nicht.

Mit Ihrer Kritik sind Sie nicht alleine.

In der SPD-Basis gibt es eine recht große Unzufriedenheit bei dem Thema. Bei einer Abstimmung gegen Kürzungen im Hochschulbereich hatten wir im vergangenen Jahr nur ganz knapp die Mehrheit verfehlt.

Ihre Vision für Brandenburgs Hochschulen 2020?

Weil Hochschulen für Regionen sehr entscheidend sind, braucht das Land noch eine Einrichtung im Norden. Im Raum Neuruppin sollte als Entwicklungsfaktor eine weitere Hochschule entstehen, um junge Menschen dort zu halten und in die Region zu holen.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

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Maja Wallstein (26) ist stellvertretende Juso-Vorsitzende in Brandenburg. Sie zählt parteiintern zu den schärfsten Kritikern von Regierungschef Matthias Platzeck (SPD). Sie studiert Verwaltungswissenschaften an der Uni in Potsdam.

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