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Couchgenossen. Zum „Havelsounds“- Schwatz empfing Tim Jaeger (links außen) Isabell Gerschke, Wolfgang Dümcke, Matthias Steinmetz und Kay-Uwe Kärsten (v.l.).

© Andreas Klaer

2. Talkrunde "Havelsounds" in der Wilhelmgalerie: Kuscheln mit Kosmologen

Montagabend fand die zweite Talkrunde „Havelsounds“ statt. Moderator Tim Jaeger stellt Potsdams Image zur Diskussion.

Potsdam - Wetter oder Voyeurismus? Zwischen diesen Angeboten galt es Montagabend sich zu entscheiden. Alternativ zum Sommerabend im Biergarten fand im Atrium der Wilhelmgalerie die zweite Talkrunde „Havelsounds“ statt – mit etwas weniger Zuschauern als bei der Premiere, aber dennoch aufmerksam von den Potsdamern verfolgt. Die Talkshow im Wohnzimmerformat – Motto: Entspannt plaudern und sich kennenlernen – moderiert der TV-Journalist Tim Jaeger, den die Brandenburger vor allem vom rbb kennen.

Dieses Mal auf der Potsdamer-Promi-Couch im Glastempel: Schauspielerin Isabell Gerschke, neben ihr, getrennt nur durch ein Kuschelkissen, nahm der Filmemacher Wolfgang Dümcke Platz. Zu seiner Linken saß Kosmologe Matthias Steinmetz, flankiert von Kay-Uwe Kärsten, Ex-Sprecher des Archiv-Vereins, der das alternative Soziokulturzentrum in der Leipziger Straße betreibt. Und der klärte erst mal auf: Weil dort alles basisdemokratisch läuft, gebe es den Sprecherjob nicht mehr.

Plauderstunde bei "Havelsounds"

Kärsten, studierter Historiker und auch ohne Sprecherjob ein geschickter Redner, wehrte sich außerdem gegen die Schublade Subkultur, in die das Archiv für den Abend gesteckt werden sollte. Denn „Hochglanz trifft Subkultur“, das sollte das Thema der Begegnung der Gäste sein. „Wir machen keine Unter-Kultur sondern Soziokultur“, sagte Kärsten. Und schenkte sich bescheiden Wasser ein, während der Rest am Tisch Rosé bevorzugte.

Mit angewandter Kultur begann zunächst der Abend. Isabell Gerschke, polizeiruf-erprobte Schauspielerin, kann auch singen und hatte für eine Kostprobe einen Gitarristen mitgebracht. Dann plauderte sie, die damals „wie in der Filmstadt Potsdam üblich vom Schulhof weggecastet wurde“, über Lauftraining in High Heels und zeigte Jaeger, wie man richtig eine Waffe hält. „Immer mit beiden Händen zugreifen!“ Was ihr denn wichtiger sein, Hochglanz oder Subkultur? (Die Frage stellte Jaeger vor Kärstens Einwand.) Ein wenig in die Ecke gedrängt outete sich Gerschke als Anhängerin der Sub-Szene. Als weiterer Diskussionsbaustein folgte an dieser Stelle ein durchaus ansprechender, aufwendig produzierter Imagefilm über Potsdam. Der alles zeigt – nur nicht den Schlaatz oder das Archiv. Dümcke vom Filmbüro Potsdam verteidigte sein Produkt. Er habe eben Potsdams Perlen aufgereiht. Gerade eine Filmstadt verdiene ein hochwertiges filmisches Porträt. Jaeger, bekennender Babelsberger, monierte jedoch, dass sein Stadtteil im Film gar nicht vorkomme. Dümcke schoss zurück: „Entschuldigung, aber bis 1938 war das ein Dorf am Stadtrand.“

Wissenschaft sei kaum präsent

Immerhin kam die Wissenschaft ganz gut weg im Film. „Was die da im Fraunhofer-Institut in Golm mit Pflanzen machen, unglaublich“, schwärmte Dümcke. Im Bewusstsein der Bürger sei die Wissenschaft aber kaum präsent, waren sich Jaeger und Kosmologe Steinmetz, wissenschaftlicher Vorstand vom Leibnitz-Institut für Astrophysik Potsdam, einig. „Sie erforschen gerade unsere Milchstraße, vermessen alle 100 Milliarden Sterne. Wozu ist das gut?“, forderte Jaeger den Wissenschaftler heraus. Der schien vertraut mit derlei Misstrauen: „Wissen Sie, ohne uns Forscher gäbe es kein WLAN und kein Ceranfeld. Praktische Effekte zeigen sich aber meist zeitverzögert, manchmal erst Jahrzehnte nach großen Entdeckungen.“

Die Wissenschaft, das allein wäre ein abendfüllendes Thema gewesen. Steinmetz erklärte, warum man nicht hinter den Urknall schauen kann – da sei es nämlich viel zu heiß und hell, einfach unmöglich. Und dass man bei der Frage, was Unendlichkeit bedeutet, an die Grenzen des menschlichen Denkens gelange. Mit manchem, so der Kosmologe, muss man sich eben abfinden.

Der Blick zurück - 13 Millionen Lichtjahre

Schauspielerin und Sängerin Gerschke holte alle Besucher dann mit einem entspannten Lied zurück ins Jetzt. Und Andreas Hueck vom freien Theater Poetenpack warb zuletzt für ein ganz praktisches Theaterprojekt: Mittels Crowdfunding soll Lessings „Nathan der Weise“ in Potsdam, Stadt der Toleranz, inszeniert werden. Die Bürger können dafür spenden, sozusagen Mäzenatentum im Kleinen praktizieren. „Was die Kultur angeht, sollten wir uns nicht als Konkurrenten sehen, sondern vernetzen. Nicht Konkurrenz, sondern Symbiose belebt das Geschäft“, sagte Kärsten. Da gab es Beifall aus dem Publikum, das ansonsten eher verhalten blieb.

Dann war der laue Abend auch schon zu Ende. Gut für Kosmos-Ergründer Steinmetz. Der flog tagsdrauf nach Arizona, wo sich eines der größten Teleskope weltweit befindet. „Wir schauen damit 13 Millionen Lichtjahre zurück“, sagte er. Dimensionen, angesichts derer jede kulturpolitische Debatte sekundär schien.

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