zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Leben und Leiden der Bronislawa Czubakowska

Polnische und deutsche Schüler haben ein Projekt: Die Geschichte einer Zwangsarbeiterin aufschreiben

Polnische und deutsche Schüler haben ein Projekt: Die Geschichte einer Zwangsarbeiterin aufschreiben „In der Strafsache gegen die polnische Arbeiterin Bronislawa Czubakowska aus Brandenburg (Havel) geboren am 09.07.1918 in Skierz, Kreis Litzmannstadt, Polin, katholisch, ledig, seit dem 17.07. 1941 in Polizeihaft und seit dem 25.07. 1941 in Untersuchungshaft im Landgerichtsgefängnis Potsdam wegen vorsätzlicher Brandstiftung und wissentlich falscher Anschuldigung, hat die Strafkammer des Landgerichts in Potsdam in der Sitzung vom 13. Mai 1942 für Recht erkannt: Die Angeklagte wird als Polin wegen vorsätzlicher Brandstiftung in Tateinheit mit vorsätzlicher Beschädigung von Sachen zum Tode verurteilt“. Es sind Dokumente solcher Authentizität, welche polnische und deutsche Schüler gegenwärtig in einem gemeinsamen Projekt in Archiven erforschen. Während eines zweijährigen deutsch-polnischen Projektes tragen sie einem Puzzle gleichsam alles Auffindbare über das Einzelschicksal einer polnischen Zwangsarbeiterin zusammen: Entstehen soll ein Bild vom Leben und Leiden der Polin Bronislawa Czubakowska, die 23-Jährig am 13. Mai 1942 im Schwurgerichtssaal des heutigen Potsdamer Amtsgerichtes oben zitiertes Urteil vernahm. Ziel der Schüler-Recherchen ist eine Ausstellung und eine Dokumentation, die im kommenden Jahr im polnischen Zgierz vorgestellt werden soll. Dorthin, dem Heimatort der ermordeten Bronislawa Czubakowska, sollen im September 2005 durch die deutschen Schüler – symbolisch – die sterblichen Überreste der Ermordeten überführt werden. Das in ihrem letzten Brief erbetene Begräbnis in ihrer Heimatstadt fand bis heute nicht statt. Im Plenarsaal des Potsdamer Stadthauses empfing Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) gestern die 45 Schüler aus dem polnischen Sgierz, aus Brandenburg (Havel), Potsdam und Berlin, die in dieser Woche die historischen Orte der Leidensgeschichte von Bronislawa Czubakowska aufsuchen und erste Arbeitsergebnisse austauschen. Untergebracht sind die Schüler im Europa-Haus in Kolberg bei Beeskow. Jakobs sagte den Schülern die volle Unterstützung durch die Stadt Potsdam zu. Die Direktorin des Romualda-Traugutt-Lyzeums von Zgierz, Dorota Mielczarek, hofft, das Projekt werde den Kontakt zwischen Deutschen und Polen voranbringen. Sie hob den pädagogischen Aspekt hervor, den es mit sich bringt, wenn Schüler noch lebende Zeitzeugen befragen. Unterstützt wird das länderübergreifende Projekt durch den „Verein zur Förderung antimilitaristischer Traditionen in der Stadt Potsdam“. Dessen Vorsitzender Jörg Kwapis bezeichnete das Todesurteil gegen Bronislawa Czubakowska als eine „unmenschliche Reaktion“, die die Perfidie des NS-Systems aufzeige. Die junge Zwangsarbeiterin in der Feinjutefabrik in Brandenburg (Havel) soll einen Brand gelegt haben – laut Urteilsbegründung habe sie auf der Frauentoilette einen Klopapierrollenhalter angezündet, der Brand habe mit einer Flasche Wasser gelöscht werden können. Aufmerksam auf das Schicksal Bronislawa Czubakowskas wurde der Berliner Klaus Leutner, der im Buch „Zwangsarbeit in Potsdam“ (Märkischer Verlag Wilhelmshorst) der Historikerin Almuth Püschel über die junge Frau aus Zgierz las. Er erinnerte sich, dass eine Tante von ihm nach dem Krieg Kaderchefin in dem heute nicht mehr existierenden Betrieb war, in dem die Polin zehn Jahre zuvor Zwangsarbeit leistete. Andreas Schlüter und Florian Ehlert vom Evangelischen Gymnasium Hermannswerder haben wie ihre Mitschüler die letzten beiden Wochen in Archiven und Bibliotheken geforscht. Das Aktenstudium war schwer, „aber wir konnten einen Treffer“ landen, so Andreas Schlüter: Das sekundengenaue, „typische deutsche“ Protokoll einer Hinrichtung in Berlin-Plötzensee, wo auch Bronislawa Czubakowska unter dem Fallbeil starb. 16000 Zwangsarbeiter wurden in Plötzensee „im Drei-Minuten-Takt“ nach „Kriegsstrafrecht“ hingerichtet, sagte der Schüler sichtlich bewegt. Guido Berg

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false