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Landeshauptstadt: Leer in 80 Sekunden Babelsberger Stuntmen sicherten den Evakuierungtest für den Airbus 380 ab

Spätestens nach dem Air France Flug 358 musste im Babelsberger Team am Sinn von Evakuierungstests niemand mehr zweifeln. Am 2.

Spätestens nach dem Air France Flug 358 musste im Babelsberger Team am Sinn von Evakuierungstests niemand mehr zweifeln. Am 2. August 2005 glitt ein Airbus A 340 in Toronto über die Landebahn hinaus und geriet in Brand. Als die Rettungskräfte 52 Sekunden später eintrafen, hatten drei Viertel der 309 Insassen die Maschine verlassen. Nach 90 Sekunden ging der Pilot als letzter von Bord. Das Flugzeug brannte aus. Todesopfer: keine.

Als sich das „Wunder von Toronto“ ereignete, war der Potsdamer Thomas Köppen von der Stuntmen-Firma „Action Unlimited“ mit Sitz auf dem Babelsberger Filmparkgelände bereits seit Monaten Leiter eines Projekts, über das er erst jetzt reden darf: Die Demonstration einer vollständigen Evakuierung des größten Passagierflugzeuges des Welt, des Airbus A 380. Leer in 90 Sekunden. Alle 873 Passagiere und Crewmitglieder müssen in dieser Zeit raus. Das ist die Bedingung der Verkehrssicherheitsbehörden für die Zulassung des neuen Supervogels. Insgesamt 1600 Exemplare im Gesamtwert von rund 420 Milliarden US-Dollar sollen vom A 380 verkauft werden. Voraussetzung dafür aber ist der bestandene Test. Alle raus in 90 Sekunden.

26. März 2006. Eine gigantische Halle in Hamburg-Finkenwerder. Das „Boarding“, der Einsteigevorgang der 873 Insassen, dauert allein eine Stunde. Die Testpersonen sind aus 2000 Freiwilligen ausgewählt, die wiederum aus den 11 000 Interessierten ausgewählt wurden. Sie sind „naive Personen“, erzählt Köppen, sie wissen nur, dass es eine Evakuierungsübung ist. Ihre Informationen erhalten sie wie jeder gewöhnliche Passagier bei einem ganz normalen Flug von der Stewardess: Wo die Notausgänge sind und dass sie über Rutschen zur ebenen Erde gelangen. In 8,50 Meter über Grund befinden sich die Airbus-Türen, in derselben Höhe ist bei einem Einfamilienhaus der Dachfirst.

Die Testpassagiere unterhalten sich über das, was gleich passieren wird. „Es entsteht Sportsgeist“, so Köppen. Und Anspannung.

Plötzlich geht das Licht aus. In der Halle ist es stockfinster. „Null Lux“, sagt der Projektleiter. An Bord brennen jetzt die Notlampen. Mit lautem Knall schießen acht Notrutschen wie Airbags aus ihren Behältern. Die am Boden stehende Männer von „Action Unlimited“ müssen darauf achten, dass sie die Rutschen nicht vor den Kopf kriegen. Es sind die von Thomas Köppen handverlesenen Leute, Sportler zumeist. Seine Auswahlkriterien: Groß, klug, schnell, stark und teamfähig. Die Türen öffnen sich. Das Kabinenpersonal „brüllt rum“: „Raus, raus, raus!“ Es entsteht „ein Hauch von Notfall“, wie der ehemalige Serviermeister im Potsdamer Interhotel vornehm sagt. Die Passagiere rennen zum schwarzen Abgrund, die nur von Leuchtdioden an den Rutschen erhellt wird. An jeder dieser wie ein Schlauchboot aussehenden Rutschen stehen die Männer der Babelsberger Firma und fordern die Insassen unmissverständlich zur Rutschfahrt aus dem zweistöckigen Flugzeug auf. Einer nach dem anderen lässt sich in die Sitzstellung fallen, Arme und Beine nach vorn jagen sie in die Tiefe, zwei Personen pro Sekunde, ratsch, ratsch, ratsch. Ohne Köppens Männer würden sich die Leiber am Boden stapeln, sie sich gegenseitig die Extremitäten in die Seite stoßen. Ihre Aufgabe ist, die Ankömmlingen wegzuziehen, wegzureißen, Verletzungen vermeiden zu helfen, „für Sicherheit zu sorgen“, erklärt Köppen. Einer seiner Helfer kriegt mehrmals die Ellenbogen von Rutschenden vors Gesicht, er merkt es erst später an den Blessuren, er ist ein Boxer. An der Konstruktion der Rutschen hat Köppen mitgeholfen, die Leute dürfen nicht zu schnell und nicht zu langsam runterrutschen. Aber am Ende zählt nur das Ergebnis. Würde es reichen?

Nach 80 Sekunden ist die Maschine leer. Weltrekord. Er hat Manager heulen sehen, sagt Köppen, so eine Last fiel von ihnen ab.

Ein Insasse brach sich den Oberschenkel, 32 Insassen erlitten Verletzungen, zumeist Abschürfungen der Ellenbogen. Die Verletzungsrate liegt weit unter den Vorgaben, was der guten Arbeit von „Action Unlimited“ zu verdanken ist.

Thomas Köppen hat sich jetzt ein Jacket gekauft. Passend zu den Turnschuhen. Der Airbus-Erfolg eröffnet für die Stuntmen aus Babelsberg völlig neue Marktchancen. Es ist ein Quantensprung, sagt Köppen. Eine neue Firma, „Safety Unlimited“, steht kurz vor der Gründung. Sicherheit, das ist das Zauberwort in unruhigen Zeiten. Evakuierungstests gibt es auch für Stadien und Kreuzfahrtschiffe. Und es gibt noch Boeing. Ob er auf einen Anruf aus Seattle wartet? Köppen lächelt: „Hmm.“

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