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Potsdamer Symposium forderte Ehrung für US-Songwriter: Literaturnobelpreis für Bob Dylan?

It ain't me, babe: Ein Symposium am Potsdamer Einsteinforum diskutierte, warum Bob Dylan den Nobelpreis dringend erhalten sollte. Dabei ging es auch um die Frage, weshalb dem US-Songwriter diese höchste Würde bisher verwehrt geblieben ist.

Weshalb ausgerechnet Bob Dylan dem Literaturnobelpreis zu neuem Renommee verhelfen könnte, wollte der Radiojournalist Michael Gray wissen. Auf einem Symposium am Einstein Forum am Montag gab er zu bedenken, dass der Preis von einem Gremium vorwiegend schwedischer, weißer Männer vergeben werde, reichlich angestaubt sei und schwedenlastig zugeteilt werde. 1996 hatte der Dichter Allen Ginsberg eine Kampagne gestartet, um seinem Freund Dylan die Ehrung zu verschaffen – bisher erfolglos.

Da würden sich zwei recht hartnäckige Fraktionen gegenüberstehen, konstatiert die Leiterin des Einstein Forums, Susan Neiman: diejenigen, die schon seit 1996 vehement dafür streiten, dass die amerikanische Singer-Songwriter-Ikone am besten ganz schnell den Nobelpreis bekommt, und diejenigen, die ihr Idol von keinerlei weltlichem Glitter verunziert sehen wollen. Neiman hat das Symposium einberufen, um endlich etwas Bewegung in die seit 1996 schwelende Debatte zu bringen.

Dem sechsköpfigen Nobelpreiskomitee für 2013 gehören immerhin zwei Frauen an. Von den bisher 109 Preisträgern stellten die englischsprachige Autoren mit 27 die meisten. In der Preisvergabe spiegele sich die Besetzung des Komitees wieder, meint Gray: „Das ist ein Pferdehandel!“ So etwas habe der hehre Barde nicht nötig. Dabei hat der 1941 geborene Robert Allen Zimmerman schon einige Auszeichnungen erhalten: zwei Ehrendoktortitel, den Pulitzer Sonderpreis, 2009 die National Medal of Art und 2012 die Presidential Medal of Freedom, deren blaues Band Barack Obama dem Sänger persönlich umgehängt hat.

Ob Dylan die Ehrung durch den Präsidenten gefallen hat, ist nicht so recht auszumachen. Er trägt eine schwarze Sonnenbrille während der Zeremonie, verzieht keine Miene, klopft dem Staatsoberhaupt aber immerhin anerkennend auf den Arm. Dennoch stelle sich die Frage, ob Dylan die Medaille überhaupt annehmen werde, konstatiert die Juristin und Dylan-Forscherin Michelle Engert. Regelmäßig hält sie Vorträge über die kulturelle Bedeutung Bob Dylans, dessen Künstlername mutmaßlich an den Dichter Dylan Thomas angelehnt ist. „Die Kriterien für den Nobelpreis erfüllt Dylan auf jeden Fall“, stellt sie fest. Denn generell sei Literatur keineswegs auf in Buchform veröffentlichten Text beschränkt. Außerdem sei ganz offensichtlich, dass es sich bei Dylans in Liedform vorgetragenen Poems um Hochliteratur handele. „Seine Lieder begleiten uns, wir behalten sie im Kopf, das ist der Soundtrack für unser Leben“, findet Engert. Bob Dylans Songs würden zu einem tieferen Verständnis von Leben und zwischenmenschlichen Beziehungen verhelfen: „Seine Lieder haben die Kraft, unser Leben zu verändern.“ Zahlreiche Dylan-Fans hätten nur um seine Songs zu verstehen Englisch gelernt.

Mit einer Interpretation des Songs „Scarlet Town“ untermauert der kanadische Literaturkritiker Stephen Scobie Dylans Anspruch auf den Preis. Bezüge zu dem Dichter Sir Walter Scott und anderen fänden sich in dem Song, der zwar bekannte Bilder aufgreife, diese aber doch auf ganz eigene Weise anverwandele. Zeilen wie „Scarlett Town is under the hill“, „If love is a sin, then beauty is a crime“, vom Sänger mit brüchiger Stimme vorgetragen, ließen erhebliche Teile des Dramas der menschlichen Existenz aufscheinen.

„Dylan hat bewiesen, dass große Kunst auch aus der Jukebox kommen kann“, findet der Geschichtswissenschaftler und ausgewiesene Dylan-Fachmann Clinton Heylin. Dennoch müsse der Sänger sich nicht grämen, wenn er den Preis nicht erhalte. Auch Shakespeare wäre wohl an den verkrusteten Strukturen des Komitees gescheitert. Jean-Paul Sartre habe gar den Preis abgelehnt, weil er seine politische, soziale und literarische Haltung nicht mit einem Preis verwässern und seine Leser nicht unter Druck setzen wollte. Solche Überlegungen könne schließlich auch Dylan anstellen, gab Heylin zu bedenken. 

Richard Rabensaat

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