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Landeshauptstadt: Marktführer aus dem Hinterhof

Teekampagne: Ein ehemaliges Studentenprojekt lehrt von Babelsberg aus der Konkurrenz das Fürchten

Teekampagne: Ein ehemaliges Studentenprojekt lehrt von Babelsberg aus der Konkurrenz das Fürchten Wer die Seitengasse in Babelsberg entlang schlendert, käme nie auf die Idee, dass sich hinter dem kleinen Ladenlokal der größte Tee-Versandhändler Deutschlands versteckt. Die Teekampagne, eine vor 20 Jahren an der Humboldt Universität in Berlin gegründete Studentenfirma, arbeitet in der Pasteurstraße 6-7 ganz im Stillen. „Wir sind völlig anders. Eigentlich machen wir alles falsch“, sagt Geschäftsführer Thomas Räuchle. Die klassische Managementlehre rät Unternehmen auf verschiedene Produkte zu setzen, viel in Werbung zu investieren und gerade bei einem Produkt wie Tee kleine Packungen anzubieten. Die Teekampagne macht das genaue Gegenteil: Eine Sorte Tee wird ausschließlich in großen Packungen gehandelt – und das ausschließlich über das Internet. Werbung läuft nur über Mundpropaganda. Schuld daran ist Professor Günter Faltin. Vor 20 Jahren wollte er mit einem Studentenprojekt beweisen, dass mit radikaler Einfachheit Erfolg möglich ist. Das ist eindrucksvoll gelungen. 170 000 Kunden hat die Teekampagne mittlerweile, die meist gleich ihren Jahresvorrat bestellen. Gehandelt wird hochwertiger Darjeeling-Tee. Die Teekampagne garantiert, dass der Tee auch wirklich aus Darjeeling kommt. Keine Selbstverständlichkeit, denn rund 40 000 Tonnen Darjeeling-Tee werden jährlich verkauft, obwohl nur 9400 bis 9800 Tonnen in Darjeeling gepflückt werden. 2000 bis 2500 Tonnen bezieht allein die Teekampagne im Jahr und ist damit der weltgrößte Importeur des indischen Tees. Bestellung, Einkauf, Management, Finanzen – das alles wird in Potsdam abgewickelt. In einem liebevoll restaurierten Hinterhof in Babelsberg. „Nach Potsdam zu gehen, war keine langfristige Planung“, sagt Räuchle. 1995 wurden einfach die Räumlichkeiten in Berlin zu klein. „Anfangs haben wir geglaubt, dass Babelsberg wieder ein Künstlerort wird. Das hat so nicht stattgefunden.“ Trotzdem hat die Kampagne den Standortwechsel nie bereut. Ab und zu kommen Besucher vorbei, bewundern den Innenhof und erzählen, wen oder was die Gebäude früher beherbergten. Standortnachteile hat die Teekampagne in Babelsberg nicht. „Durch das Internet gibt es keine Standortvor- oder -nachteile“, sagt Räuchle. Und die 15 Mitarbeiter fühlen sich wohl in Potsdam – vielleicht, weil sie mittlerweile aus dem Studentenalter herausgewachsen sind. Denn was zu Anfang von studentischen Mitarbeitern erledigt wurde, ist momentan Aufgabe von festangestellten Profis. „Als wir größer wurden, brauchten wir mehr Fachwissen“, erklärt Räuchle. Er selbst ist eine der „Korsettstangen“, die in die Personalstruktur „eingepflanzt“ wurden. Eine Reihe der ehemaligen Studis ist aber noch an Bord. „Die Leiterin der Finanz-Buchhaltung hat vor 15 Jahren als Studentin angefangen.“ Eine feste Rollenverteilung gibt es aber eigentlich nicht. Räuchle: „Jeder muss alles können.“ Auch die beiden Azubis. Trotzdem gehören die Erfahrungen aus der Studi-Zeit zur Firmen-Philosophie. „Wir sind Saisonarbeiter.“ Von Juni bis Oktober müssen alle mit anpacken. Erst danach werden Urlaubstage genommen oder Überstunden abgebummelt. Und die eigenen Zukunftspläne? Japan heißt das neue Lieblingswort in Babelsberg. Der Markt ist wie gemacht für die Kampagne. Die Konkurrenz verkauft Mini-Packungen zu horrenden Preisen. Das Kilo kostet bis zu 1000 Euro. Da sollte das Angebot der Teekampagne für Wirbel sorgen. Neu im Sortiment sind zudem Möbel aus Wasserhyazinthen. Der Rohstoff ist in Indien und Afrika massenhaft vorhanden und wird praktisch kaum genutzt. Vielleicht die nächste Marktlücke. Bodo Baumert

Bodo Baumert

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