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Sport: Mehr als nur Sammeln von Anekdoten 10 Jahre „Zeitgeschichte des Sports“ an der Uni

„Der Sport lebt in der Gegenwart, schaut vielleicht in die Zukunft und vergisst sehr schnell seine Vergangenheit.“ Vor allem letzterem Phänomen hat sich die Zunft der Sporthistoriker in entgegen wirkender Weise angenommen und begründet damit zugleich den Sinn und Nutzen einer wissenschaftlich betriebenen „Sportgeschichte“.

„Der Sport lebt in der Gegenwart, schaut vielleicht in die Zukunft und vergisst sehr schnell seine Vergangenheit.“ Vor allem letzterem Phänomen hat sich die Zunft der Sporthistoriker in entgegen wirkender Weise angenommen und begründet damit zugleich den Sinn und Nutzen einer wissenschaftlich betriebenen „Sportgeschichte“. Dem folgt seit nunmehr zehn Jahren auch der Arbeitsbereich für „Zeitgeschichte des Sports“ im Institut der Sportwissenschaft der Universität Potsdam. Den Leiter des Arbeitsbereiches, Professor Teichler, erfüllt dieses Jubiläum mit Stolz. Zum einen bildet die Existenz seines Lehrstuhls die einzig rühmliche Ausnahme der ehemals vorhandenen 16 Professuren und Dozenturen in der DDR, welche nach der deutschen Vereinigung voreilig und meist zugunsten der Sportsoziologie „abgewickelt“ wurden. Trotz der notwendigen Veränderungen der Lehrtätigkeit, in der man für Ideologieproduzenten, die Geschichte als „Geschichtspropaganda“ betrieben, keinen Bedarf mehr hatte, war die „Abwicklung“ der gesamten Sportgeschichte in Ostdeutschland sicherlich ein gravierender Fehler im wissenschaftlichen Transformationsprozess. Aus diesem „Fehlgriff“ der Geschichte entwickelte sich Potsdam zwangsläufig zum Zentrum der Sportgeschichte in den neuen Bundesländern. Dessen Themenspektrum umfasst Aspekte des Arbeitersports, des Sports im Nationalsozialismus sowie internationale Dimensionen der modernen Sportbewegung. Ein besonderer Schwerpunkt der Forschungs- und Publikationstätigkeit liegt jedoch auf der „Aufarbeitung“ des Sports in der DDR. Die derzeitige Zwischenbilanz ist mit acht Potsdamer Buchveröffentlichungen beeindruckend. Konzentrierten sich Forschungen der Sporthistoriker anfänglich auf das Leistungssportsystem, setzte man sich zuletzt verstärkt mit dem Breitensport in der DDR auseinander. Obwohl die ausgewerteten Aktenbestände den zweistelligen Meterbereich schon längst überschritten haben, unzählige Zeitzeugeninterviews geführt wurden, das einzigartig hinterlassene Presse- und Redaktionsarchiv des Sportverlages der DDR seit Jahren erschlossen wird und mehrere wissenschaftlich-wertvolle Vorarbeiten durch die Studierenden geleistet wurden, liegen noch viele Felder dieses Komplexes brach. Die Mitarbeiter des Arbeitsbereiches „Zeitgeschichte des Sports“ haben es geschafft, deutschlandweite Anerkennung ihrer Arbeit zu ernten und als ein Markenzeichen der Potsdamer Sportwissenschaft zu gelten. Auch von der Historikern werden die Forschungsergebnisse der kleinen Teildisziplin zunehmend ernster genommen, da sie schon längst bewiesen hat, dass die wissenschaftliche Erforschung der Geschichte des Sports vielmehr ist, als nur das Sammeln von Anekdoten und Statistiken. Dass sich die öffentliche Wahrnehmung der Forschungsergebnisse zum DDR-Sport in den neunziger Jahren weitgehend auf die medienträchtigen Teilkomplexe Doping und die Durchdringung des Sports durch das Ministerium für Staatssicherheit reduzierte, ist bedauerlich, da sie den Forschungsergebnissen der Potsdamer Sporthistoriker nicht gerecht wurden, hatten sie doch die Überbetonung dieses viel zu eng gefassten Erklärungsansatzes des DDR-Subsystems „Körperkultur und Sport“ schon frühzeitig relativiert und mit komplexeren Studien eindrucksvoll dargelegt. Dennoch konnte man nicht verhindern, dass der Ost-West-Konflikt wach gehalten und dadurch eine gemeinsam geführte wissenschaftliche „Aufarbeitung“ erschwert wurde. Der Autor ist Historiker und war mehrere Jahre Mitarbeiter des Arbeitsbereiches für „Zeitgeschichte des Sports“

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