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Landeshauptstadt: Mehrklassen-Wahlrecht für Ausländer

Potsdamer Ausländerbeirat fordert Bekenntnis der Landesregierung zum Kommunalwahlrecht für Ausländer und Unterstützung der Bundesratsinitiative

Toleranz wird auf der einen Seite in Potsdam groß geschrieben, auf der anderen Seite besitzen die hier lebenden Ausländer kein Kommunalwahlrecht. Dieses Spannungsfeld bestimmte am Donnerstagnachmittag eine Beratung des Ausländerbeirates in Potsdam. Dazu hatte der Beirat mit dem aus Zürich stammenden Sozialwissenschaftler Heinz Kleger und mit der Grünen-Europaabgeordneten Elisabeth Schroedter zwei Experten eingeladen.

Ohne Frage unterstützt der Ausländerbeirat die in diesem Jahr stattfindenden Aktivitäten zur modernen Neuauflage des „Potsdamer Toleranzedikts“. Projektkoordinator Daniel Wenzel informierte über die Aktivitäten, die bis zum Oktober dieses Jahres stattfinden. Es sind im Wesentlichen drei Punkte: Erstens, eine im März startende Unterschriftenaktion mit einem Bekenntnis der Potsdamer zu einer toleranten und weltoffenen Stadt. Zweitens sind es an vielen Stellen der Stadt aufgestellte Diskussionstafeln mit der Möglichkeit von Meinungsäußerungen – schließlich geht es um „Selbstverpflichtungen“. In Letzteren sollen sich Einzelpersonen, Initiativen, Vereine und Unternehmen mit „gute Taten“ am Toleranz-Anliegen beteiligen. Lutz Boede, Mitglied des Ausländerbeirats, hält diese praktischen Beiträge für sinnvoll, denn bisher sei Toleranz meist „nicht mehr als eine Salatbeilage jeder politischen Erklärung.“

Derzeit besteht eine große Diskrepanz zwischen den Potsdamer Toleranz-Aktivitäten und der Möglichkeit für Ausländer, an kommunalen Entscheidungen teilzunehmen. Ausschussvorsitzende Hala Kindelberger hebt hervor, dass sich die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung bereits im Dezember 2005 für ein Kommunalwahlrecht der hier lebenden Ausländer ausgesprochen habe. Laut diesem Beschluss solle sich der Oberbürgermeister gegenüber dem Land dafür einsetzen. Doch seitens des Landes gebe es keinerlei Reaktionen. Von dort müsste jedoch die Initiative ausgehen, denn es bedürfe einer Änderung des Grundgesetzes. Der Ausländerbeirat will daher „die Landesregierung in die Pflicht nehmen“ sich der dazu von Rheinland-Pfalz und Berlin gestarteten Initiative anzuschließen.

Beiratsmitglied Albana Gjoka beklagt, dass weder der Ausländerbeirat noch die „Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte im Land Brandenburg“ (AGAB) eine Strategie verfolge, wie sie gegenüber dem Land aktiv werden sollen. Die Rede war zum Beispiel von einem Brief an Ministerpräsident Matthias Platzeck. Hingegen schlägt SPD-Stadtfraktionschef Mike Schubert vor, der Ausländerbeirat solle an die Landtagsfraktionen herantreten, „denn am Ende brauchen wir Mehrheiten.“ Festlegungen gibt es dazu bisher nicht. Wie Elisabeth Schroedter aus europäischer Sicht sagt, sei das Kommunalwahlrecht für Ausländer „aus Drittstaaten“ in Deutschland lange überfällig, denn in vielen Ländern gebe es dieses schon lange. Deutschland gehe durch die Verweigerung des Wahlrechts das „Potenzial und die Ideen dieser Leute“ verloren.

Albana Gjoka bezeichnete es als ein Unding, dass Polen und Tschechen als Menschen aus EU-Ländern das Kommunalwahlrecht ausüben dürfen, aber die seit langem in Deutschland lebenden Ausländer mit guten deutschen Sprachkenntnissen nicht. Günter Schenke

Günter Schenke

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