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Landeshauptstadt: „Menschenwürde ist kein Abstraktum“

Annette Flade schrieb ein Buch über ihre Erfahrungen als Flüchtlingsseelsorgerin

„Tita musste Ende der 90er Jahre kurz vor den anstehenden Wahlen in Kamerun seine Heimat verlassen. Er hatte das eigentlich nicht vorgehabt, aber die Situation war für politisch aktive Studenten wieder einmal hoch bedrohlich. Er dachte, dass er in Kamerun für Veränderungen weiterkämpfen sollte. Dann kam alles ganz schnell und ganz anders als gedacht: Verhaftung, Gefängnisaufenthalt, Fluchthilfe, Verstecken im eigenen Land. Sein Leben war bedroht; deshalb entschloss er sich doch zur Flucht nach Europa, um Schutz zu finden und Asyl zu beantragen.“ - Ein Auszug aus dem Buch „Geht dem Flüchtling mit Brot entgegen“ von Annette Flade. In ihrem „Geschichtenbuch“ schreibt sie über ihre neunjährigen Erfahrungen als Ausländerseelsorgerin im Kirchenkreis Potsdam. Der Erzählband wird am Donnerstag, um 17 Uhr, in der Friedrichskirche am Weberplatz, der Öffentlichkeit vorgestellt. Brandenburgs Ausländerbeauftragte Almut Berger und Probst i. R. Karl-Heinrich Lütcke werden Ausschnitte lesen.

Auf sehr persönliche Weise und in teils anonymisierten Geschichten erzählt Annette Flade vom Alltag der Flüchtlinge in einer ihnen fremden Welt mit Residenzpflicht, wenig Geld und ungewisser Zukunft. Die Menschen mit unterschiedlichsten Lebensgeschichten, Sorgen und Nöten kommen aus Afrika, dem ehemaligen Jugoslawien, Afghanistan oder auch der ehemaligen Sowjetunion. Nicht zuletzt angeregt durch die spezifischen Probleme der Hilfesuchenden und ihre oft diffizile rechtliche Lage engagierte sich die Pfarrerin in verschiedenen Gremien und Initiativen wie dem Flüchtlingsrat Brandenburg, im Landesarbeitskreis HIV/Aids und dem Gesprächskreis Ausländer in Potsdam. Sie beteiligte sich und organisierte Aktionen zum Tag des Flüchtlings oder zum Antirassismustag. Die gut 250 Seiten geben Zeugnis ihrer vielfältigen Arbeit zwischen 1996 und 2005 sowie der ihrer Weggefährten, Kollegen und Freunde. Auch gewährt sie Einblicke in einen Bereich, der der Öffentlichkeit wohl meist verborgen bleibt. Es wird von Menschen berichtet, die trotz ihrer schwierigen Lebensumstände die Hoffnung nicht verlieren, sich gar politisch engagieren.

Bischof Wolfgang Huber schreibt in seinem Vorwort zum Buch, dass Annette Flades Arbeit dafür ein Bewusstsein beförderte, „dass die Menschenwürde kein Abstraktum ist, sondern immer im Einzelfall des Schutzes bedarf“. Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs berichtet von langen und heftigen Diskussionen in aussichtslosen Situationen. „Dann habe ich ihre Hartnäckigkeit zu spüren bekommen und ihr persönliches Engagement beim Ausnutzen der Spielräume von Gesetzen, beim Finden von pragmatischen Lösungen.“ Jakobs würdigt in seinem Beitrag die Arbeit der Pastorin: „Es ist ihr gelungen, Verständnis für die besondere Lebenssituation der Asylbewerber zu erreichen, zu vermitteln, dass Ausländer Mitmenschen sind, die Hilfe brauchen.“

Mit dem Erzählband „Geht dem Flüchtling mit Brot entgegen“ möchte die Autorin „vom Alltag der Asylbewerber und auch von ihren oft dramatischen Lebenswegen und den vielen Schwierigkeiten, mit denen sie hier in Deutschland konfrontiert sind“, berichten. Das Buch ist mit vielen Zeitdokumenten ausgestattet und eignet sich für die Jugendarbeit.U.S.

Das Buch „Geht dem Flüchtling mit Brot entgegen“ wird am Donnerstag, 6. April, um 17 Uhr, in der Friedrichskirche (Weberplatz) vorgestellt.

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