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Landeshauptstadt: Nach 20 Jahren: Sexualstraftäter muss zwei Jahre hinter Gitter

Angeklagter bestritt jahrelangen Kindsmissbrauch im Verwandtenkreis/Öffentlichkeit während Vernehmung des Opfers ausgeschlossen

Angeklagter bestritt jahrelangen Kindsmissbrauch im Verwandtenkreis/Öffentlichkeit während Vernehmung des Opfers ausgeschlossen Von Gabriele Hohenstein „Die Orte und Zeiten stimmen. Aber die Handlungen haben so nicht stattgefunden“, betont Hans-Joachim F. (59) vor dem Schöffengericht. „Wir haben uns gemocht. Ich habe Sofie* in den Arm genommen und auch mal abgekitzelt, aber sie doch nicht sexuell missbraucht.“ Doch genau das will der Staatsanwalt mit seiner Anklageschrift beweisen. Zwischen Januar 1979 und Dezember 1982 soll der Potsdamer das im Jahr 1969 geborene Mädchen massiv bedrängt, sein verwandtschaftliches Verhältnis in perfider Weise ausgenutzt haben, um sexuelle Handlungen an der damals Zehn- bis Dreizehnjährigen vorzunehmen. Sofie schwieg über das, was ihr widerfuhr, fraß die Angst vor ihrem Onkel und die Scham über die erduldeten Widerwärtigkeiten in sich hinein. Im Laufe der Zeit veränderte sich ihre Persönlichkeit. Die inzwischen 34-Jährige leidet noch heute unter Schlafstörungen, Angstgefühlen, Depressivität und neigt zur Selbstanklage. Es brauchte lange Zeit, bis sie sich entschloss, Strafanzeige gegen den Verwandten, der ihr Vertrauensverhältnis grob missbrauchte, zu erstatten. „Man glaubt immer, so etwas passiert nur anderen“, äußert Sofies Mutter in einer Pause auf dem Gerichtsflur. Auf die Idee, einen Sexualtäter in der eigenen Familie zu haben, sei sie nicht gekommen. An ihrer Tochter sei ihr aktuell nichts aufgefallen. Im Nachhinein habe sie dann allerdings in die eine oder andere Beobachtung etwas hineininterpretiert, was mit den damaligen Vorkommnissen zusammengehangen haben könnte. „Es gab die Besuche von Sofie in meiner Wohnung. Es gab die Urlaube am Schlänitzsee und an der Ostsee. Auch die Sache mit der kaputten Kühltruhe Weihnachten 1982 stimmt“, erklärt der Angeklagte. „Aber wir waren niemals alleine. Wie hätte ich Sofie da etwas antun sollen?“, fragt er rhetorisch. Außerdem – so die Begründung für seine vermeintliche Unschuld – sei er damals beim Ministerium für Staatssicherheit beschäftigt gewesen. „Mir hat mein Job Spaß gemacht. Ich hätte ja in Angst und Schrecken leben müssen, wenn die Vorwürfe stimmen würden. Ich wäre sofort beim MfS rausgeflogen.“ Zum Schutz der Intimsphäre von Sofie – sie tritt im Prozess als Nebenklägerin auf – wird die Öffentlichkeit während ihrer Vernehmung ausgeschlossen. Nach Stunden verkündet das Schöffengericht folgende Entscheidung: Der Angeklagte ist des sexuellen Missbrauchs eines Kindes schuldig. Er wird zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. (*Name geändert.)

Gabriele Hohenstein

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