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Landeshauptstadt: Nachhilfe im Flirten

Potsdamer IT-Studenten haben „Softskills“ im Lehrplan – Klischeebild vom „Nerd“ überholt

Babelsberg - „Flirten muss mit Leichtigkeit angegangen werden, jeder kann es lernen“, lautet die Ansage vom Lehrpult. Rund 300 Studenten im prall gefüllten Hörsaal des Potsdamer Hasso-Plattner-Instituts für Softwaresystemtechnik (HPI) lauschen gespannt und mit einem verstohlenen Grinsen den Tipps von Radiomoderator Phillip von Senftleben. Denn Flirten steht neuerdings auch auf dem Lehrplan der Elite-Schmiede. Allzu hartnäckig scheint sich das Klischee über Informatiker zu halten: Männlich, dicke Brillengläser, ungesund aussehende „Bildschirmbräune“, vereinsamt, kommunikationsunfähig und langweilig.

Doch die künftigen IT-Ingenieure nervt dieses Vorurteil über den klassischen „Nerd“ aus den 80er und 90er Jahren. Viele finden, dass es mit der Realität nichts gemein habe: „Auch wir Informatiker können flirten“, sagt Student Peter Weigt und das will er bei der Veranstaltung zeigen. Dort soll es an diesem Tag Ratschläge zur besseren Kommunikation geben, der geschickten Formulierung einer SMS oder dazu, wie man Misserfolge einfacher wegstecken kann.

„Ich hoffe, der Kurs gibt mir auch Tipps für den Berufsalltag“, sagt Peter kurz vor Beginn des Kurses. Er stellt sich pragmatische Fragen: Wie kann ich meinen Auftritt perfektionieren? Auf welche Art und Weise meistere ich mit mehr Selbstsicherheit den beruflichen Alltag? „Es geht mir nicht nur darum, wie man mit Frauen umgeht, das hat bisher auch ganz gut geklappt“, sagt sein Freund Sebastian Mayer und schmunzelt.

Das 1998 gegründete HPI gilt als Talentschmiede für künftige IT-Ingenieure. Der bundesweit einzige Bachelor- und Masterstudiengang „IT-Systems Engineering“ soll die Studenten durch eine ingenieurwissenschaftliche Orientierung sowie die Ausbildung von Softskills – sozialen Fähigkeiten – optimal auf die Zukunft vorbereiten. Rund 50 Professoren und Lehrbeauftragte bilden die etwa 450 Studenten auf dem Campus Griebnitzsee aus. „Mit diesem Angebot wollen wir den Berufseinstieg erleichtern und die Karrierechancen erhöhen“, betont HPI-Sprecher Hans-Joachim Allgaier. Der Soft skills-Lehrplan sieht deshalb neben der Vermittlung von grundlegenden Fähigkeiten in Unternehmensführung auch Einzelthemen wie Rhetorik und Körpersprache oder neuerdings eben Flirten vor.

„Was ist ein Kompliment?“, fragt von Senftleben die überwiegend männlichen Nachwuchsinformatiker. „Eine Übertreibung“, prustet ein junger Mann schlagfertig aus der vorletzten Reihe. Die Menge lacht, von Senftleben kontert: „Das kann tatsächlich nur von einem Mann kommen.“ Der Kommunikationsexperte vom Radio rühmt sich, in seinen Radiosendungen der vergangenen vier Jahre rund 1200 Telefonnummern von Frauen gesammelt zu haben. Und eine solche Kontaktnummer zu ergattern, sei schon mal ein erster Schritt.

„Sei humorvoll und selbstironisch und stelle Gemeinsamkeiten fest“, rät er den Studenten. Mit kleinen Übungen zur geschickten Formulierung einer SMS oder dazu, wie man Blicke fixiert – von Senftleben versucht, den künftigen IT-Ingenieuren zu vermitteln, welche Flirtstrategien funktionieren und welche nicht. „Bitte lasst am Ende einer SMS die berühmten Buchstaben LG weg, das steht für LanGweiler“, erklärt der Flirtcoach. Und die Ratschläge gehen weiter: Das Gegenüber irritieren - „sanfte Verwirrung suggeriert Aufmerksamkeit“ -, ehrlich und spärlich mit Komplimenten umgehen und sich in seinen Ansprechpartner hineinversetzen, der selbst ernannte Womanizer sorgt für ausgelassene Stimmung im Hörsaal. „Schreibt das in einer SMS: Denke an Dich. Seltsam“, rät von Senftleben. Getreu dem Motto: Verwirrung sorge für Aufmerksamkeit. Absolute „No-Gos“ sind laut Flirtcoach Sprüche wie „Tun Dir nicht schon Deine Füße weh? Du gehst mir schon seit Tagen durch den Kopf“. Von Senftleben gähnt demonstrativ, die Menge johlt.

Am Ende verlassen viele Studenten mit breitem Grinsen den Hörsaal – und dem ein oder anderen Tipp für die private oder berufliche Zukunft. „Es war sehr spannend und unterhaltsam“, schmunzelt Sebastian. Beeindruckend fand der 19-Jährige vor allem, dass man mit Ehrlichkeit und Verwirrung Menschen für sich gewinnen könne. Und sein Freund Peter will die Buchstaben „LG“ nie wieder ans Ende einer SMS tippen.Dania Ringeisen

Dania Ringeisen

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