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Landeshauptstadt: „Nett, höflich und zuvorkommend“

Einer der BND-Mitarbeiter aus dem Irak lebte mehrere Jahre in Potsdam – und wurde jetzt enttarnt

Deutsche Geheimagenten auf Mission im Irak-Krieg – schnell sind sie da, die Bilder vom Superagenten aus Film, Fernsehen und Büchern. Doch die beiden BND-Mitarbeiter, die den US-Truppen im Irak bei der Identifizierung von Bombenzielen geholfen haben sollen, passen so gar nicht ins Klischee vom Top-Spion.

Einer von ihnen lebte mehrere Jahre in Potsdam, ehe es ihn mit Familie nach Australien verschlug. Ein mittelgroßer Mann mit Seitenscheitel, Brille und unauffälligem Äußeren, jemand, an dem man leicht vorbeischaut, wenn man ihm auf der Straße begegnet, oder dessen Gesicht man nach einem Aufeinandertreffen schnell vergessen könnte. Auch die Nachbarn wussten nicht viel über Reiner M. Für sie war er Angehöriger der Bundeswehr mit Arbeitsplatz in Berlin. Verheiratet, zwei Kinder, schicke Wohnung mit Garten. Die Kinder wohlerzogen, kein Krach im Haus oder mit Nachbarn. Tochter und Sohn spielten mit anderen Kindern. Bekannt war auch, dass stets modernste Kommunikations- und Computertechnik im Hause war. Was sollte schon dabei sein. Die bürgerliche Stadtrandidylle, in der man die Familie wähnte, wurde nur von dem Wissen getrübt, dass Reiner M. oft und lange verreist war.

M. betrieb sogar eine private Homepage, die inzwischen abgeschaltet ist. „Spiegel online“ berichtet: „Die Homepage von Agent M. wirkt wie eine Seite eines deutschen Familienvaters. Seit dem ersten Auftauchen am 2. November 2001 entwickelte er seinen Auftritt und stellte immer mehr Bilder ins Netz. “Als erster im Netz, als letzter im Bett“, kündigt der Internet-Pionier seine Nachtarbeit an. Auch Ehefrau, beide Kinder und der dicke BMW werden porträtiert, garniert mit dem Display der atomgenauen Uhrzeit. Unter einer tapsig animierten Figur nennt er seine Eigenschaften: Nett, höflich, freundlich und zuvorkommend.“

Bis auf kleine Hinweise im Gästebuch fand auch „spiegel online“ keinen direkten Beweis für M.s brisante Tätigkeit in Bagdad. Sich Reiner M., so wie berichtet, inmitten des Irak-Krieges vorzustellen, als gut ausgebildeten Waffenträger mit der Pistole im Halfter und dem Funkgerät unter der Weste, als versierten Satellitentechniker und Kontaktmann zu Amerikanern und Irakern – das fällt allen schwer, die ihn kannten und nichts davon wussten, dass er als Top-Agent arbeitete. Und auch die Berichte über Weingelage in der französischen Botschaft, in der die beiden BND-Männer während der Bombenangriffe auf Bagdad aus Sicherheitsgründen Unterschlupf nahmen, oder über Schießübungen in der Wüste, denen Reiner M. belustigt zusah, wirken – gemessen am Auftreten von M. während der Jahre in Potsdam – befremdlich.

Mittlerweile scheint die Karriere des Spions in Gefahr. Die Veröffentlichungen von „spiegel online“ waren offenbar zu detailliert. So machten sich Internet- Rechercheure, mit dem „Spiegel“-Wissen ausgestattet, per Internet auf die Jagd nach Reiner M. Und wurden nicht nur auf der Homepage fündig. Unter der Überschrift „Identität des BND-Agenten im Irak aufgeflogen“ berichtete eine Internet-Seite, die „Nachrichten und Meinungen gegen die Verdunstung“ verbreitet, über weitere Details aus dem Leben des Ex-Potsdamers, dessen voller Name in dem Bericht auch genannt wird. So soll der Kaufpreis seines Hauses in Canberra 1,25 Millionen Dollar betragen haben. Auf der Internet-Seite einer Immobilienfirma soll es sogar möglich sein, ins luxuriöse Schlafzimmer von Familie M. zu gucken.

Reiner M. hielt sich am Mittwoch nur ein paar Kilometer von seiner früheren Potsdamer Wohnung entfernt auf – in Berlin-Mitte musste er mit seinem Partner Volker H. vor dem Parlamentarischen Kontrollausschuss des Bundestages über die geheime Mission in Bagdad aussagen. Die Kameras der Fernsehanstalten bekamen die beiden nicht zu Gesicht. So wird auch künftig nicht jeder wissen, wer Reiner M. ist. Und es bleibt hoffentlich auch eine private Angelegenheit, ob M. die Chance nutzte, seinen Sohn zu treffen, der in Deutschland lebt. Dann hätte sich die kurze Dienstreise von Australien ins kalte Deutschland tatsächlich gelohnt.

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