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Potsdamer Forscher widerlegen Wirkung des Sättigungshormons PYY (3-36)

Potsdamer Forscher widerlegen Wirkung des Sättigungshormons PYY (3-36) Die Forscher des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) in Bergholz-Rehbrücke waren selbst von ihren Ergebnissen überrascht. Kürzlich wurde in der Fachzeitschrift „Nature“ eine Studie veröffentlicht, in der das internationale 42-köpfige Team unter der Leitung von Dr. Matthias Tschöp und Dr. Hans-Georg Joost vom DIfE Zweifel an der Wirkung des Sättigungshormons PYY (3-36) äußerte. Die Hunger stillende Wirkung des Hormons wurde vor zwei Jahren von britischen Forschern entdeckt und ebenfalls in „Nature“ veröffentlicht. Die Potsdamer Wissenschaftler versuchten vergeblich, die Erfolge der Studie zu wiederholen. Dieser Untersuchung zufolge, soll PYY (3-36) den Appetit zügeln und somit auch die Kalorienaufnahme verringern. Jedoch konnte das Forscherteam nach der Gabe des Darmhormons keinerlei Hemmung der Nahrungsaufnahme oder eine Gewichtsabnahme bei Mäusen feststellen. Noch vor zwei Jahren schien das Molekül ein idealer Wirkstoff zur Behandlung von Fettsucht zu sein. Die Wissenschaft feierte die Ergebnisse der britischen Studie als Durchbruch in der Adipositasforschung und sah die Substanz als Ansatz für die Entwicklung einer wirksamen und verträglichen Therapie gegen das krankhafte Übergewicht. Weitere Versuche bestätigten die ersten Erfolge. So berichtete der jetzige Patentinhaber des vermeintlichen Wundermittels zu Beginn des letzten Monats, dass ein Nasenspray mit dem Wirkstoff an menschlichen Probanden erfolgreich getestet worden sei. Nach Aussagen des Pharmakonzerns Nastech, waren nach sechstägiger Verabreichung des Sprays eine verminderte Kalorienaufnahme sowie ein Gewichtsverlust bei den übergewichtigen Männern und Frauen zu beobachten. Wie wirkt das Sättigungshormon? Dr. Hans-Georg Joost erklärt den theoretischen Mechanismus: Das Molekül bindet im Gehirn an die so genannten Y-Rezeptoren. Dadurch wird ein Signal ausgelöst, das Nervensystem und bestimmte Hirnareale stimuliert. Diese Aktivierung äußert sich in einem Sättigungsgefühl. Die Folge ist eine verminderte Kalorienaufnahme. So erklärt sich die Wissenschaft die theoretische Funktionsweise des Hormons. Doch die Potsdamer Forscher konnten das in ihren Studien nicht belegen. Sie verabreichten PYY (3-36) mehr als 1000 Ratten und Mäusen und beobachten deren Fressverhalten und Gewicht. „Als wir feststellten, dass wir die Ergebnisse der britischen Studie nicht nachvollziehen konnten, testeten wir die Aktivität des von uns verwendeten Hormons in anderen Versuchssystemen. Ist die Substanz beispielsweise inaktiv, kann keine Bindung an die Rezeptoren im Gehirn stattfinden. Doch das von uns eingesetzte PYY (3-36) war voll funktionsfähig“, erklärt Joost. Die Autoren der Studie hatten eigentlich beabsichtigt, das Therapieprinzip von PYY (3-36) voranzutreiben. „Wir wollten das bereits vorhandene Peptid so verändern, dass es noch stärker den Appetit hemmt.“ Für die verschiedenen Ergebnisse aus beiden Studien gäbe es mehrere Erklärungen. Eine Möglichkeit sei, dass es in den früheren Versuchen bestimme Bedingungen gab, die in der Veröffentlichung nicht beschrieben wurden und unter denen das Hormon die Nahrungsaufnahme hemmt. „Eine Substanz, die aber nur unter speziellen Rahmenbedingungen wirkt, wäre für therapeutische Zwecke ungeeignet“, betont der Wissenschaftler. An die Wirkung des Hormons glaubt der Potsdamer Forscher nun nicht mehr. Die jetzt veröffentlichten Daten seien überzeugender, weil die Studien unabhängig voneinander in fünf Forschungseinrichtungen der pharmazeutischen Industrie und sieben Universitätslaboren vorgenommen wurden. „In keiner dieser Institute konnte eine hemmende Wirkung auf die Nahrungsaufnahme beobachtet werden.“ Nun müsse das zunächst viel versprechende Mittel gegen Fettleibigkeit in seiner Wirkung neu bewertet werden, lautet das Fazit des Ernährungsforschers. Zunächst sei es wichtig zu klären, wie die Unterschiede zwischen den früheren und den aktuellen Studien zustande gekommen sind. Dann werde sich zeigen, ob es sich bei PYY(3-36) um eine Sackgasse in der Adipositasforschung handelt. Wie wichtig und notwendig ein wirksames Medikament gegen Fettleibigkeit ist, zeigen die neusten Zahlen des statischen Bundesamtes. Demnach leiden etwa 50 Prozent der deutschen Erwachsenen an Übergewicht. Sie und die Wissenschaft werden sich aber noch einige Zeit gedulden müssen, bis der Traum von der Abnehmpille Realität wird. In der verbleibenden Zeit kann den Pfunden mit ausreichend Bewegung und ausgewogener Ernährung begegnet werden.

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