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Handyvideo, Twitter, Schweinsteiger, Kahrs: Öffentlich und privat in Zeiten von Social Media

Unser Gastkommentator Nico Lumma schreibt, warum wir das Nutzungsverhalten von Social Media ebenso überdenken sollten wie die Interpretation der durch Social Media erstellten Inhalte.

Positiv gesehen ist ja so ein Sommerloch auch immer mal ganz gut, um innezuhalten und die Themen zu diskutieren, die in der Hektik des Alltags vielleicht zu kurz kommen. Mir sind diese Woche gleich zwei Beispiele aufgefallen, die exemplarisch dafür sind, dass man das Nutzungsverhalten von Social Media ebenso überdenken sollte wie die Interpretation der durch Social Media erstellten Inhalte.

Ein verwackeltes Video zeigt Bastian Schweinsteiger vom FC Bayern München beim Feiern in einer Kneipe im Münchener Glockenbachviertel und dabei singt er ein bekanntes Schmählied, das den Borussia Dortmund verunglimpft. Ein Artikel im Tagesspiegel weist darauf hin, dass der Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs einigen Twitter-Accounts folgt, die homo-erotische Bilder verbreiten.

Auch wenn beide Vorfälle auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, so zeigen sie doch das Dilemma, in dem wir derzeit stecken und künftig noch stärker stecken werden. Wo ziehen wir künftig die Trennlinie zwischen öffentlich und privat? Wie stark können wir von jeder Einzelnen erwarten, dass sie der Tragweite ihres Handelns voll bewusst ist?

Transparenz vs. Privatsphäre

Ohne Smartphone wäre Bastian Schweinsteigers Performance niemals gefilmt worden und würde künftig zur Folklore des Glockenbachviertels gehören. Ohne die öffentlich einsehbaren Listen der Accounts, denen jemand bei Twitter folgt, hätten die Tagesspiegel-Leser nie erfahren, dass sich ein Bundestagsabgeordneter auch für andere Dinge als Politik interessiert.

Ich finde mehr Transparenz in vielen Aspekten sinnvoll, insbesondere im Verhältnis des Staats gegenüber dem Bürger. Allerdings sollten wir dringend vermeiden, dass wir jegliche Privatsphäre künftig ignorieren, weil die Möglichkeiten von Social Media dies zulassen. Drastischer formuliert könnte man sagen, dass durch den Wegfall des Journalismus als klassischem Gatekeeper nun alle Dämme zu brechen drohen, was naturgemäß zuerst Prominente und Politiker zu spüren bekommen.

Natürlich darf Bastian Schweinsteiger sich mal einen musikalischen Spaß erlauben, ohne dass dieser aus dem Kontext gerissen und in den Medien verbreitet wird. Natürlich darf auch ein Bundestagsabgeordneter auf Twitter seinen privaten Interessen nachgehen, ohne sich dafür einen anonymen Zweitaccount zulegen zu müssen.

Wir müssen lernen, mit dieser Verantwortung besser umzugehen, auch wenn es nur ein Smartphone ist, das wir in der Hand halten, so hat es doch die Möglichkeit, ein globales Publikum in Sekundenschnelle zu erreichen. Dabei wird es ein "das versendet sich" in der digitalen Gesellschaft nicht mehr geben, das sollte uns allen bewusst sein.

Nico Lumma arbeitet als freier Berater und Autor in Hamburg, bloggt auf lumma.de und ist Mitglied im Gesprächskreis Netzpolitik des SPD Parteivorstandes. Er hat 2011 den Verein D64 - Zentrum für digitalen Fortschritt mitgegründet und ist dort als Co-Vorsitzender aktiv.

P.S. (noch für wichtig befunden und später hinzugefügt): Nico Lumma ist mit Johannes Kahrs persönlich bekannt, nicht aber mit Bastian Schweinsteiger.

Nico Lumma

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