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Sport: Olympia läuft heiß

Die Geschichte dient nicht immer als Vorlage für die Olympischen Spiele der Neuzeit, das Kugelstoßen beispielsweise gab es nicht. Nun kehren die Spiele in die Stadt der ersten Olympioniken zurück, auch 19 Potsdamer starten den Kampf um Ehr

Die Geschichte dient nicht immer als Vorlage für die Olympischen Spiele der Neuzeit, das Kugelstoßen beispielsweise gab es nicht. Nun kehren die Spiele in die Stadt der ersten Olympioniken zurück, auch 19 Potsdamer starten den Kampf um Ehre, Ruhm, Medaillen – und Geld Wenn man nach Athen kommt, dann ist die Botschaft unübersehbar: „Welcome home“, so prangt es von tausenden Transparenten, Plakaten, von T-Shirts und allen sonstigen möglichen Trägern für die beiden Worte, die den Griechen derzeit die Welt bedeuten. Die Olympischen Spiele kehren heim, dorthin, wo sie in der Antike aus der Taufe gehoben worden, dorthin, wo sie 1896 auf Betrieben des französischen Barons de Coubertin ihre Wiedergeburt feierten. Der Stolz der Hellenen ist nicht zu überhören, und dass der auch mit mancher Geschichtsklitterung genährt wird, was soll“s schon? Bei den antiken Spielen nämlich ging es durchaus nicht primär um den Sport, der war quasi nur eine Zugabe eines religiösen Spektakels der kultischen Verehrung von Zeus und den Seinen, bei dem das Motto Klotzen statt kleckern hieß. Macht, Geld, Einfluss waren die zentralen Begriffe, und der Sport wurde alles willkommener Rahmen benutzt. Die Wettkämpfe waren weder fair, noch waren die Athleten allesamt edel und schön, wie das euphorische Darstellungen aus Literatur und Kunst suggerieren könnten. 776 vor Christi wird als das Geburtsdatum der Spiele angegeben – fest steht aber, das sie schon weit früher stattgefunden haben. Freilich gibt es dafür keinen exakten historischen Beleg. Alles in allem wurden damals 293 Olympiaden gezählt – also die jeweiligen Vier-Jahres-Zeiträume von den Spielen –, die olympische Ära der Antike dauerte 1168 Jahre. Die Sieger der antiken Wettbewerbe, bei den vollkommen nackt und mit eingeölten Körpern gekämpft wurde, erhielten einen Blätterkranz vom heiligen Ölbaum am Zeus-Tempel von Olympia, der das Heiligtum schlechthin darstellte, um das sich alles drehte. Andere Ehrungen gab es nicht, keine Silber- oder Bronzemedaillen. Auch Rekorde, Zeiten oder Weiten wurden nicht notiert – was zählte, war allein der Sieg. Eine Niederlage bedeutete Schande. In den Kampfsportarten wie Ringen, Boxen oder im berüchtigten Pankration, einer Mischung aus beiden, war brutale Härte das Gesetz. Tritte in die Genitalien, Würgegriffe, Rumpfklammern und Gelenke auskugeln gehörten zu den Standard. Immerhin, verboten waren beißen, kratzen und das „Graben“, das Bohren mit dem Finger in der Augenhöhle oder anderen Weichteilen. Das im Pankration Blut und Zähne gespuckt wurden, war zum einen keine Seltenheit, zum anderen erfreute es die Zuschauer ausnehmend. Eine Zeitbegrenzung für die Kämpfe gab es nicht – es wurde bis zum bitteren Ende gehauen und gestochen, selbst, wenn dieses Ende der Tod war. Auf diese Weise brachte es zum Bespiel Arrhichion aus Phigaleia zu traurigem Ruhm, der zwar 564 vor Christi zum dritte Mal Pankration-Olympiasieger wurde, aber den Triumph nicht überlebte. Im Todeskampf gelang es ihm, den Gegner, der ihm brachial die Luft abdrückte und ihn damit im Endeffekt umbrachte, einen Zeh zu brechen und zur Aufgabe zu zwingen. Olympische Geschichte, und was für welche! Ähnliches wird wohl bei der Homecoming-Party der Spiele in den kommenden gut zwei Wochen ausbleiben. Dass Athen 1896 Stätte der olympischen Wiedergeburt wurde, ist eigentlich ein historischer Zufall. Zwar kann man Coubertin getrost als hellenophil bezeichnen, und die Idee neuer Olympischer Spiele damit auch auf den Background der antiken griechischen Geschichte zurückführen. Aber der Franzose hatte die Renaissance eigentlich in Paris stattfinden lassen wollen und war damit überstimmt worden. Nicht alles, was jetzt als olympisch antik daher kommt, kann diesen Anspruch erfüllen. Das Kugelstoßen auf der 350 Kilometer von Athen entfernten Anlage von Olympia auf der Halbinsel Peloponnes stattfinden zu lassen, ist zum Beispiel aus mehreren Gründen höchst umstritten: zum einen ist dort keinerlei spitzensportgerechte Infrastruktur vorhanden, so dass maximal zehn- bis fünfzehntausend Zuschauer auf Erdwällen Platz finden werden. Zum anderen halten Denkmalschützer die Idee für aberwitzig, weil die Ausgrabungsstätten unschätzbaren Schaden zu nehmen drohen. Befürworter reden von einer enormen Außenwirkung, die man nutzen müsse. Freilich werden auch die Medien – 10 000 Journalisten sind in Athen akkreditiert –, das Spektakel nahezu ausschließlich am Fernseher verfolgen können. Die deutsche Delegation ist stolz auf die erkämpfte Maximalzahl von vier (!) Medienvertretern – zwei schreibenden Journalisten, zwei Fotografen –, die eine Reise gen Süden in die Geschichte machen dürfen. Dabei ist auch die durchaus retuschiert, denn Kugelstoßen hat es im Programm der antiken Olympischen Spiele nie gegeben! Vermutlich wird es auch manches andere, was in den kommenden Tagen zu erleben sein wird, noch nie gegeben haben. Das viel beschworene Chaos jedenfalls ist bisher weitgehend ausgeblieben, und wenn es dann doch mal partiell ausbrach, dann haben einem die Griechen bewiesen, dass es beherrschbar ist. Meist mit einem ganz kurzen Satz aus vier Worten: Das ist doch normal! 19 Sportlerinnen und Sportler aus Potsdamer Vereinen, zehn weitere aus dem Land Brandenburg und drei, die in und um Potsdam leben, werden in Athen im olympischen Wettstreit kämpfen. In Sydney waren es 9 Potsdamer, in der Leichtathletik sind seit Seoul 1988 erstmals wieder Athleten aus der Havelstadt vertreten – unten finden Sie alle Brandenburger Sportler im Kurzporträt.

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