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Landeshauptstadt: Perfekt für Paul

Star-Regisseur Verhoeven dreht im Babelsberg den Thriller „Black Book“

Der Mann ist Perfektionist. Viermal muss Carice van Houten ihre Brosche von dem geblümten Kleid abnehmen, bis Paul Verhoeven zufrieden ist. Dabei geht es ihm nicht um den Gesichtsausdruck seiner Hauptdarstellerin, den fängt die Kamera gar nicht ein. Doch jeder kleinste Handgriff muss sitzen, wenn Star-Regisseur Verhoeven einen Film macht – und das tut er seit Anfang Dezember im Studio Babelsberg. In der Marlene-Dietrich-Halle sind große Kulissen aufgebaut, die von außen aussehen wie Sperrholzkästen auf Stelzen. Darin aber verbergen sich ein Ballsaal, die Zentrale der Wehrmacht in Amsterdam, ein Anwaltsbüro in Den Haag. Schauplätze von „Black Book“, einem Thriller, an dessen Drehbuch Verhoeven mehr als zwanzig Jahre gearbeitet hat. Er erzählt eine Geschichte, die auch ein wenig seine Geschichte ist. Die jüdische Revuesängerin Rachel Steinn, gespielt von der zierlichen Niederländerin Carice van Houten, überlebt als einzige ein Massaker der Nazis an ihrer Familie im Herbst 1944. Sie geht in den Widerstand – doch die Gruppe wird verraten und sie selbst als Verräterin angeklagt. Zu Unrecht, wie Rachel Steinn beweisen wird. Der 67-jährige Verhoeven hat die Zeit, in der sein Film spielt, als Kind in Holland erlebt. „Das ist mein Krieg – nicht etwa der Vietnamkrieg“, soll er gesagt haben.

An diesem Mittwochmittag im Studio Babelsberg hat Verhoeven, der in Hollywood mit Filmen wie "Basic Instinct" mit Sharon Stone und "Total Recall" mit Arnold Schwarzenegger Erfolge feierte, nicht viel Zeit zum Reden. Im Jeanshemd sitzt er hinter dem Monitor, auf dem die gerade gedrehte Szene zu sehen ist. Am Montag soll der Film im Kasten sein. Angespannt ist die Atmosphäre aber nicht. Bevor Carice van Houten endlich in die Mittagspause gehen darf, nimmt Verhoeven sie für die zwei Pressefotografen am Set in den Arm, lacht in die Kameras. Es ist das erste Mal seit mehr als 25 Jahren, dass Verhoeven wieder in Europa dreht – und einen ganz und gar europäischen Film macht. „Er wird auf holländisch und deutsch gedreht und wir haben auch keinen US-Partner“, sagt Jens Meurer, der deutsche Produzent der niederländisch-deutsch-britischen Koproduktion. Das sei beinahe unüblich, „selbstbewusst einen Film für das europäische Publikum zu machen und nicht den US-Stars hinterher zu hecheln“, meint Meurer. 17 Millionen Euro kostet der Thriller, „für europäische Verhältnisse ein ziemlich großer Film“. Dass fast alle Innenaufnahmen in Babelsberg gedreht werden, scheint selbstverständlich. „Es ist ein traditionsreicher Ort“, sagt Meurer. Außerdem habe Studio Babelsberg die Kompetenz, einen Verhoeven-Film zu machen – und ein gutes Umfeld. Für Studio-Chef Carl Woebcken ist der Thriller sogar „wegweisend für europäische Koproduktionen“. Deutsche Filme hätten nach diesem Vorbild das Potenzial, in größere Budgets hineinzuwachsen – und dann werden sie auch für das Studio interessant. „,Black Book'' ist die Einstiegsdroge“, sagt Woebcken. „Wir müssen viel mehr solche Filme nach Babelsberg holen.“ Rund eine Millionen Euro Umsatz macht das Studio mit „Black Book“. Wie viel die Kulissenbauer im Babelsberger Art Department für den Thriller zu tun hatten, ist in der Marlene-Dietrich-Halle schnell zu sehen.

Ein original gekachelter Gang führt zu einer noblen Toilette, die massiven Holztüren wurden eigens für das Set geschreinert. Beiger und dunkelgrüner Marmor bedecken in der Wehrmachtszentrale Boden und Wände, „das ist aber kein echter, das konnten wir noch verhindern“, sagt Meurer und lacht. Echt ist dagegen das Eichenparkett in den Büroräumen. Dass es alt aussieht, ist vielen Steine und Schrauben und einer Walze zu verdanken. In der Wehrmachtszentrale hat Sebastian Koch sein Büro – der anerkannte deutsche Schauspieler mimt Müntze, den Chef des Sicherheitsdienstes. Eigentlich, heißt es, wollte Koch nach „Speer und er“ und „Stauffenberg“ keinen Nazis mehr spielen. Doch dann kam Paul Verhoeven, der neben Koch auch die deutschen Schauspieler Christian Berkel und Waldemar Kobus engagierte.

Und noch ein Deutscher steht in der Marlene-Dietrich-Halle, in der Kulisse des Anwaltsbüros, direkt neben Verhoeven: Kameramann Karl Walter Lindenlaub. In Hollywood hat er bei Blockbustern wie „Independence Day“ von Roland Emmerich, „Stargate“ oder „Manhattan Love Story“ mit Jennifer Lopez die Kamera geführt. Jetzt filmt er Carice van Houten. Oder besser ihre Hände. Mit denen sie die Brosche vom Kleid abnimmt.

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