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Landeshauptstadt: Raketenstart am Einsteinturm

Hunderte Besucher bei „Langer Nacht der Sterne“ auf dem Telegrafenberg

Teltower Vorstadt – Der neunjährige Paul zieht die Reißleine und eine weiße Mini-Rakete mit der Aufschrift „ESA“ hebt von der Startrampe ab. Rasch bewegt sie sich im zwanzig Meter hohen Bogen in Richtung Einsteinturm. Der Junge war mit seinen Eltern extra aus Teltow zum Telegrafenberg gekommen, um am Sonnabend bei der „Langen Nacht der Sterne“ den Start von Wasserraketen zu erleben. Frank Dionies, Ingenieur am Astrophysikalischen Institut (AIP), hatte die „Rakete“, die eigentlich eine Plaste-Flasche ist, zuvor mit Luft unter Druck gesetzt und nach dem Wegreißen des Verschlusses setzte sie der Rückstoß des Wassers in Bewegung. Die Startvorrichtung hatte die institutseigene Werkstatt hergestellt, um den jüngsten Besuchern eine Attraktion zu bieten.

Die von AIP-Direktor Klaus Strassmeier zuvor geäußerte Befürchtung, dass das „Wasser von oben“, den Wasser-Raketenstart vereiteln könnte, trat nicht ein. Das interessierte Publikum ließ sich vom strömenden Regen nicht abhalten, zur Sternennacht auf den Telegrafenberg zu pilgern. Am Ende waren es Hunderte, die sich das nächtliche Erlebnis nicht entgehen lassen wollten. Schon bei der Begrüßung im Kuppelsaal des Instituts für Klimafolgenforschung war es so voll, dass einige Zuhörer stehen mussten. Strassmeier gab als erster von fünf Vortragenden einen Einblick in die „Astrophysik des 21. Jahrhunderts.“ Die staunenden Zuhörer erfuhren von den Milliarden Galaxien und von den 300 bis 400 Milliarden Sternen der „eigenen Galaxie“, der Milchstraße. Sie konnten einen Blick in deren Zentrum werfen und mit Verblüffung erleben, dass dort ein „Nichts“ ist, ein „Monsterloch“, wie es Strassmeier nennt. Sie konnten über die Sonne, die „eher ein Zwergenstern“ ist, lernen, dass deren Magnetfeld die Erde schützt und dass es zur Erd-Erwärmung kommt, wenn der Magnetschild schwindet. Im Mittelalter sei das so gewesen, erklärt der Wissenschaftler, deshalb gab es damals eine Hitze-Periode.

Der Sonne ein weiteres Stück näher kommen konnten die Besucher trotz nächtlicher Stunde im 1924 erbauten Einsteinturm. „Sie können in dem Original-Stuhl Platz nehmen, in dem Einstein einst gesessen hat“, hatte Strassmeier zuvor aufgefordert. Die sich im Turm drängenden Menschen machten reichlich Gebrauch davon und erfuhren, dass der Einsteinturm ein „Labor für Spektral-Polarimetrie“ ist. Hier messen die Wissenschaftler die Materialströmungen und Magnetfelder der unruhigen Sonne, die für das Erd-Klima so entscheidend sein können.

Insgesamt zwölf Stationen, einschließlich Grill- und Bierstand, hatte das Astrophysikalische Instituts sichtlich liebevoll vorbereitet. Eine Schar von Mitarbeitern stand bereitwillig Rede und Antwort – auch auf die „dümmsten“ Fragen. Und der nächtliche Weg durch den verregneten Wissenschaftspark mit den scherenschnittartigen Bildern der Kuppeln der Observatorien vor dem grauen Nachthimmel wurde für viele zu einem eindrucksvollen Erlebnis. „Das ist ja schöner als die Schlössernacht“, war zu hören.

Günter Schenke

Günter Schenke

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