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Landeshauptstadt: Schlacht ohne Sieger und Besiegte

Mit Goethe und Heinz Erhardt: Neujahrsempfang der Landeshauptstadt mit rund 600 Gästen im Nikolaisaal

Innenstadt - Ein Redner vor großem Publikum mag selten auf sie verzichten – die Zitate bedeutender Persönlichkeiten. Im gut gefüllten Nikolaisaal bekamen die rund 600 Gäste des traditionellen Neujahrsempfangs der Landeshauptstadt gestern drei höchst verschiedene Aussprüche zu hören: Oberbürgermeister Jann Jakobs wählte Goethe, Ministerpräsident Matthias Platzeck zitierte den Brandenburger Bauernpräsidenten, und die neue Präsidentin der Potsdamer Universität, Prof. Sabine Kunst, griff auf Schauspieler Heinz Erhardt zurück. Am besten passte wohl Goethe – denn er sagte 1792, nach der Schlacht von Valmy im Krieg der europäischen Mächte gegen die junge französische Republik: „Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und Ihr könnt sagen, Ihr seid dabei gewesen.“ Die „Schlacht“, die Oberbürgermeister Jakobs diesem Zitat nun zuordnete, ist die um den Potsdamer Landtagsneubau – und der bedeutende Augenblick des Beginns einer neuen Potsdamer Epoche war für ihn die Verkündung des Ergebnisses der Bürgerbefragung zum neuen Landtag. Ein zu hoch gegriffener Vergleich? Eher nicht. Das wohl bedeutendste städtebauliche und politisch umstrittenste Projekt der Nachwende-Geschichte der Stadt steht schließlich kurz vor der Entscheidung: Am Mittwoch stimmen die Stadtverordneten das dritte Mal darüber ab. Dabei gehe es nicht nur um den Landtag, sagte Jakobs, sondern „im Kern um die Frage, wie wir in Potsdam künftig leben wollen“. Sein Ziel sei, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich alle Potsdamer wohlfühlten – und da gehöre der Landtag in der Mitte der Stadt unbedingt dazu, und auch das geplante Niemeyer-Bad am Brauhausberg und die Speicherstadt als Quartier für Wissenschaft, Gewerbe und Wohnen. Dieser „Dreiklang“, sagte Jakobs, werde der Potsdamer Mitte „ein ganz neues Gesicht geben“. Doch am Ende, „wenn der Landtagsneubau steht, darf es keine Sieger und Besiegten geben“, mahnte er zur politischen Versöhnung.

Auch Ministerpräsident Platzeck appellierte eindringlich, den Weg für den Landtagsneubau frei zu machen: Die Wunde in Potsdams Mitte habe „viel zu lange“ geklafft, nach dem „überzeugenden Votum“ der Potsdamer für den Neubau müsse er nun „ohne Wenn und Aber“ angegangen werden. Der Bau werde eine Initialzündung für Potsdams weitere Entwicklung sein – die nach den Worten von Platzeck und Jakobs im zurückliegenden Jahr hervorragend war.

Die Politiker erinnerten an Erfolge wie die Eröffnung des neuen Hans Otto Theaters an der Schiffbauergasse, den Gipfel zur Informationstechnologie mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Neuansiedlung von produzierendem Gewerbe mit der Bonbonfabrik „Katjes“, die Gründung des Bauvereins für eine Synagoge in der Schlossstraße. Für ganz Brandenburg sei 2006, sagte Platzeck, das beste Jahr seit der Wende gewesen – und führte hier den Bauernpräsidenten an: Denn wenn dieser sage, es sei ein gutes Jahr, dann müsse es exzellent gewesen sein, scherzte der Ministerpräsident. Doch im Ernst: Potsdam sei der „ Antreiber, der Motor der Entwicklung“ im Land. Die Stadt wachse, die Arbeitslosigkeit sinke, in den hiesigen Wirtschaftsbranchen „lebt unheimlich viel Zukunft, das macht uns Mut“.

Die nahe Zukunft soll Potsdam mit seinen drei Hochschulen, mehr als 40 Forschungseinrichtungen und 5000 Wissenschaftlern außerdem Erfolg bei der Bewerbung um den Titel „Stadt der Wissenschaft 2008“ bringen – im März fällt diese Entscheidung. Das begonnene Jahr allerdings gehört dem flüssigen Element: „Faszination Wasser“ ist der Titel des „Themenjahres 2007“, eröffnet wurde es von der neuen Uni-Präsidentin, einer wissenschaftlichen Fachfrau für Siedlungswasserwirtschaft und Abwasserreinigung. Sabine Kunst pries die Schönheiten der Insel Potsdam, der „80 Kilometer Siedlungsfläche“ direkt am Wasser – überließ die Bewertung des Ganzen aber lieber Komiker Heinz Erhardt: „Es ist gewiß was Schönes dran, am Element, dem nassen, weil man das Wasser trinken kann! Man kann’s aber auch lassen!“

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