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Landeshauptstadt: Schoeps gegen Ehrung eines Missionars

Potsdam wird zum Ort der Auseinandersetzung um dem Völkermord an den Armeniern und den Pfarrer Johannes Lepsius

Potsdam wird zum Ort der Auseinandersetzung um dem Völkermord an den Armeniern und den Pfarrer Johannes Lepsius Von Guido Berg Wenige Tage vor dem 90. Jahrestag des Völkermordes an den Armeniern am 24.April ist eine heftige Debatte um die historische Auseinandersetzung mit dem Genozid und der Einordnung der Person Johannes Lepsius (1858 - 1926) entbrannt. Im Zentrum der Disputs steht die künftige Nutzung des Lepsius-Hauses in der Großen Weinmeisterstraße, dem früheren Wohnhaus des Pfarrers, der von 1908 bis 1925 in Potsdam wirkte. Nach Ende der gegenwärtigen Restaurierungsarbeiten soll dort eine Armenien-Gedenk- und Forschungsstätte entstehen. Der Potsdamer Historiker Julius Schoeps hatte am Dienstagabend am Rande einer Veranstaltung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte behauptet, Lepsius sei ein „bekennender Antisemit“ gewesen. Diese Aussage hat der Leiter des Dr. Johannes-Lepsius-Archives und Hallenser Professor Hermann Goltz gestern scharf zurückgewiesen. Dies sei „eine völlig falsche Behauptung“. Goltz leitete gestern einen Projekttag des Evangelischen Gymnasiums Hermannswerder zu dem Völkermord am armenischen Volk im Osmanisch-türkischen Reich in den Jahren 1915/16. Lepsius, der den Völkermord dokumentierte und Hilfsaktionen organisierte, sei als Humanist anerkannt und habe Freundschaften zu namhaften jüdischen Wissenschaftlern gepflegt, so Goltz. Der jüdische Forscher Julius Schoeps, Direktor des Moses-Mendelssohn-Zentrums in Potsdam, relativierte gestern auf Nachfrage seine Kritik an Lepsius: „Ich bin ziemlich missverstanden worden“. Lepsius sei kein Antisemit, sondern ein christlicher Missionar gewesen. Daher erkläre sich seine Nähe zu den Armeniern, die christlichen Glaubens sind. Lepsius habe als „überzeugter Protestant“ darüber hinaus Muslime und Juden zum Christentum missionieren wollen. Schoeps lehnt „jede Missionarstätigkeit ab“, weil „es anderen abspricht, eine eigene Religion zu haben“. Dies befördere „Konfrontationen der Religionen“. Für Juden sei die christliche Mission in früherer Zeit „lebensgefährlich“ gewesen. Hinter Lepsius, dem Armenien-Verteidiger, „steht eine andere Person“, so Schoeps, der sich dagegen ausspricht, mit Lepsius einen Missionar zu ehren. Die Konzeption des Lepsius-Hauses hält Schoeps für „nicht durchdacht“. Er prophezeit: „Es wird Ärger mit den Muslimen geben“. Schoeps schlägt vor, im Lepsius-Haus am Fuße des Pfingstberges allgemein „Genozidforschung“ zu betreiben. Armenien-Experte Prof. Goltz erklärte am Rande der Gymnasiums-Veranstaltung auf Hermannswerder, er werde nach Fertigstellung des Innenausbaus des Lepsius-Hauses in diesem Jahr seinen „Lebensmittelpunkt stark nach Potsdam verlegen“. Das sich bis dato in Halle befindliche Lepsius-Archiv – inklusive der von der Tochter Veronika Lepsius überlassenen 50000 Blätter Original-Manuskripte – werden „ins Lepsius-Haus zurückkehren“ so Goltz. Geplant seien in drei Räumen eine Dokumenten– und eine Zeitschriftenabteilung sowie eine Bibliothek. Die Landesregierung habe ihre Unterstützung bei der Innenausstattung zugesagt, so Goltz. Zwei bis drei ständige Mitarbeiter sollen dort Wissenschaftler betreuen und Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Die Wiener Nationalbibliothek habe die Originalmanuskripte des Romans von Franz Werfel „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ (1933) zur Verfügung gestellt. Im Lepsius-Haus solle „eine kritische Edition des Urtextes“ vorgenommen werden. In seinem Erfolgs-Roman schilderte der Schriftsteller Franz Werfel, wie sich mehrere tausend Armenier am 1700 Meter hohen Moses-Berg verschanzten und in letzter Minute von einem französischen und einem britischen Kriegsschiff gerettet wurden. Goltz rechnet damit, dass das Lepsius-Haus auch eine „Pilgerstätte“ für die Armenier sein werde, für die Potsdam die „Lepsiusstadt“ sei.

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