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Sport: Sehen, was andere nicht mehr sehen

Handball-Torhüter kennen im Spiel kaum Phasen der Entspannung: Die Wurfhärte hat zugenommen, es gibt nur wenig Pausen im Spiel. Christian Pahl stellt sich den Herausforderungen mit spezieller Hingabe

An Gelegenheiten, sich auszuzeichnen, wird es Christian Pahl heute nicht mangeln. Der 25-Jährige ist Stammtorhüter beim Handball-Zweitligisten 1.VfL Potsdam, der ab 19.15 Uhr sein Meisterschafts-Auswärtsspiel beim TV Emsdetten austrägt. Abhängig vom Spieltempo werden zwischen fünfzig und siebzig Angriffe auf den VfL-Mannschaftskapitän zurollen. Wer in einem solchen Wirbel bestehen will, braucht starke Nerven, exzellente Reflexe und auch Intuition. Um dieses ahnende Erfassen geht es letztlich immer, wenn Pahl mit seiner sportlichen Passion befasst ist. Früher hat er in der Spielvorbereitung viel mit Computeranalysen gearbeitet und sich Wurfbilder und Laufwege eingeprägt. Mittlerweile lassen ihm die beruflichen Anforderungen, die an ihn als Polizeibeamten im gehobenen Dienst gestellt werden, weniger Zeit dazu.

Sieht Pahl sich im eigentlich ungleichen Wettbewerb mit den gegnerischen Angreifern als bedauernswertes Wesen? Er lacht und spricht davon, dass zu den Anforderungen, die der moderne Handball an die Torhüter stellt, auch immer eine enge Kooperation mit der Abwehr gehört. Funktioniert sie, bringen es Spitzenleute an guten Tagen auf eine Abwehrquote von dreißig bis vierzig Prozent. Pahl, der einst beim USV Cottbus seine Karriere im Männerbereich begann und 2004 für Post Schwerin einige Partien in der 1. Bundesliga absolvierte, überbot in der ersten Halbzeit des vergangenen VfL-Heimspiels gegen den TSV Altenholz (30:29) diesen Wert sogar. Kommt es jedoch zu den so genannten freien Situationen bei Gegenstößen oder einem unbedrängt abwerfenden Kreisspieler, bleibt ihm nur noch zu spekulieren. Christian Pahl: „Es kommt dann darauf an, Dinge zu sehen, die andere nicht mehr sehen. Eine an sich aussichtslose Geschichte, auch weil die Wurfhärte in den vergangenen Jahren noch einmal zugenommen hat.“ In der 2. Bundesliga fliegen den Torhütern die Bälle mit Geschwindigkeiten von bis zu 110 Kilometer pro Stunde entgegen. Wer bei derlei Beanspruchung noch so flexibel bleibt und bei einem Gegentreffer nicht lange hadert, sondern postwendend selbst per Abwurf die „schnelle Mitte“ einleitet, hat die Qualität erreicht, auf deren Grundlage sich Heldengeschichten schreiben lassen.

Christian Pahl macht es erst einmal eine Nummer kleiner. Gestern erst kehrte er mit der brandenburgischen Polizeiauswahl von einer Wettkampfreise nach Saarbrücken zurück. Am Abend trainierte er bereits wieder an der Heinrich- Mann-Allee mit der Bundesliga-Mannschaft des VfL, die heute um 10.30 Uhr ins Münsterland abfährt. In vollständiger personeller Besetzung übrigens, wie sich gestern andeutete. Victor Pohlack ist nach überstandener Grippe wieder fit. Steffen Baumgart und Göran Böhm, beide waren ebenfalls erkältet, strebten zumindest eine Mitfahrt an.

Was den VfL heute Abend in der Emshalle erwartet, benannte Christian Pahl betont sachlich: „Ich war bereits einmal mit dem USV Cottbus dort. Die Stimmung in der Halle ist hervorragend. Es wird nicht leicht, dort zu bestehen.“

Im Spiel selbst wird er, wie er erzählt, in gewissem Sinne neben sich stehen. Nach eigenen Worten begibt er sich zu Punktspielen beim Betreten der Halle in eine Art Tunnel. „Ich habe dann eine ganz spezielle Wahrnehmung, die erst endet, wenn die beiden Schiedsrichter das Spielende signalisiert haben.“

Kein Zweifel, Torhüter müssen schon ein bisschen verrückt sein. Verrückt im Sinne von weggerückt vom Normalen. Christian Pahl sieht dies ähnlich. Er weiß um die Risiken und Tücken seines Daseins und hat dennoch Spaß daran.

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