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Landeshauptstadt: Sperrbaum „Salzwedel“ versagte

Die Glienicker Brücke im Kalten Krieg: Agentenaustausche und Fluchtversuche / Gedenken an der „Nike“

„Um 1.58 Uhr nähert sich ein Lkw Typ ,W50’ mit hoher Geschwindigkeit der Glienicker Brücke, täuscht zunächst durch Betätigung der Blinkanlage ein Abbiegen vor der Brücke nach links vor, fuhr jedoch geradeaus weiter und durchbrach in der Folge alle vier auf der Glienicker Brücke befindlichen Sperrelemente in der angegebenen Reihenfolge: erstens das Passagentor, zweitens den Sperrschwenkbaum, drittens den verkehrsregulierenden Schlagbaum und viertens das mechanische Tor.“

Gestern vor 17 Jahren wurde die Glienicker Brücke, Symbol der deutschen Teilung wie der Einheit, geöffnet. Claus Peter Ladner, Vorsitzender der Fördergemeinschaft für die Gefängnis-Gedenkstätte „Lindenstraße 54“, erinnerte gestern am Havelübergang bei einer Gedenkveranstaltung an die Zeit des Kalten Krieges und der Berliner Mauer, deren Teil die Brücke war.

Am Abend des 9. November 1989 hielten die Wachmannschaften dem Ansturm der nach Westberlin drängenden Menschen nicht mehr stand. Um 18 Uhr öffneten sie die „Sperrelemente“ und beendeten die seit 1961 erstarrte Zeit, da den Potsdamern und allen DDR-Bürgern der Weg in den Westteil Berlins verwehrt war. Unerreichbar schien der weiße Strich auf der Brückenmitte, der Deutschland und zugleich die Erde in Ost und West, in zwei sich feindlich gegenüber stehende Welten trennte. 25 Fluchtversuche über die Glienicker Brücke waren seit dem Mauerbau 1961 gescheitert. Doch je härter das Hindernis, um so stärker der Wille, der sich den Weg in den Westen bahnt.

In der Nacht vom 10. zum 11. März 1988 brachen drei junge Männer mit jenem W50, dem Standard-Lkw aus DDR-Produktion, bis zur weißen Linie durch und weiter in die Freiheit. Der Stasi-Mitarbeiter, der den Grenzdurchbruch in seinem Bericht beschrieb, stellte klar: „Die Realisierung der Straftat wurde begünstigt, weil der Sperrschwenkbaum vom Typ ,Salzwedel’ in Bezug auf die Verankerung des Widerlagers im Betonsockel nicht dem vorausgesetzten Sicherheitswert entsprach.“

Vor dem Jahr 1988, in dem geglückte Flucht Schlagzeilen machte, war die Glienicker Brücke vor allem als Agentenbrücke bekannt – dabei wurden auf ihr nur drei Mal Agenten ausgetauscht, erklärte Ladner: Am 10. Februar wurde der Oberst Abel gegen den Piloten Garry Powers ausgetauscht, der mit seinem Spionageflugzeug U2 über der Sowjetunion abgeschossen worden war. Am 11. Juni 1985 kamen 23 DDR-Häftlingen frei – im Austausch gegen vier von der CIA verhaftete Spione. Am 11. Februar 1986 wurden der Bürgerrechtler Anatoli Schtscharanski und drei weitere Personen gegen fünf im Westen verhaftete Agenten ausgetauscht.

Ladner wie Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) gingen in ihren Reden auf die am 10. November 1999 an der Glienicker Brücke eingeweihte Bronzestatue „Nike“ von Wieland Förster ein. Exner erinnerte daran, dass Förster zwischen 1968 und 1972 in der DDR Ausstellungsverbot hatte. Die friedliche Revolution von 1989 war auch ein Ergebnis des vom damaligen Kanzler Willi Brandt eingeleiteten Entspannungsprozesses, so Exner, der „die Kette von Ereignissen“ nachzeichnete: Brandts Ostpolitik, Gorbatschows Perestroika, die ersten Montagsgebete in der Leipziger Nikolaikirche im März 1989, die Proteste von Bürgerrechtlern wegen der gefälschten Kommunalwahl im Mai 1989, die Öffnung der ungarisch-österreichischen Grenze, über die tausende DDR-Bürger flohen, die 250 000 Demonstranten auf der Leipziger Montagsdemo am 23. Oktober, der Mauerfall am 9. November 1989, die äußere deutschen Einheit am 3. Oktober 1990, die „den schweren Weg der inneren Einheit“ einleitete.

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