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Aus dem GERICHTSSAAL: Spritztour mit Opas Auto

Betrunken und ohne Fahrerlaubnis einen Baum gerammt

Aus dem GERICHTSSAALBetrunken und ohne Fahrerlaubnis einen Baum gerammt „Ich bin schuldig“, bekennt Marcel M.* (21) gleich zum Prozessbeginn. Jugendrichterin Rita Franke zeigt sich überrascht. Im Ermittlungsverfahren hatte der junge Mann vehement bestritten, ohne Fahrerlaubnis, dafür aber betrunken mit Opas Auto durch die Gegend gekutscht zu sein. Der Großvater, bei dem er auch wohne, habe keine Ahnung gehabt, dass er ihm am 14. Februar 2004 den Fahrzeugschlüssel aus dem Schreibtisch stiebitzte, um Alkoholnachschub von der Tankstelle zu holen, versichert der arbeitslose Lackierer, der fleißig Bewerbungen schreibt. „Ich habe mit Kumpels gefeiert. Die schluckten ganz schön was weg“, erinnert sich Marcel M. an jenen denkwürdigen Nachmittag. Nachgedacht, dass er sich strafbar machen könne, habe er nicht, als er sich mit 1,24 Promille ans Steuer des Fiat Punto setzte. Die Fahrstrecke betrug nur ungefähr 800 Meter. Was sollte da schon groß passieren? Doch dann kam alles anders. Marcel M. – er hatte gerade mit der Fahrschule begonnen – krachte in der Potsdamer Straße mit Opas Auto gegen einen Baum. Der Kleinwagen wurde erheblich demoliert, der jugendliche Fahrer erlitt leichte Blessuren. Regina L. (18) war mit ihrer Freundin unterwegs, als sie ein Krachen hörte. „Ich sah den Fiat am Baum. Kurz darauf kam ein anderes Auto, das ihn abschleppen wollte.“ In jenem saßen ein Kumpel des Angeklagten samt seiner Freundin. Das Paar war auf dem Heimweg, als es das Wrack am Straßenrand bemerkte. „Ich habe erst durch einen Anruf der Polizei mitgekriegt, was passiert ist“, berichtet Max M.* (74) im Zeugenstand. Der Großvater des Angeklagten kann nachweisen, den Autoschlüssel sicher verwahrt zu haben. Die Enttäuschung über den Vertrauensbruch seines Enkels hat er inzwischen verdaut. Im Grunde ist er heilfroh, dass nicht mehr passiert ist. Marcel M. habe eine „Scheiß-Kindheit“ gehabt, erzählt die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe. Sein Vater habe ihn von Anfang an abgelehnt. Seit seinem 10. Lebensjahr wuchs der Junge in Heimen auf. Nur die Zuneigung seiner Großeltern, die ihm bis heute das geben, was ein Kind normalerweise vom Elternhaus erwarten kann, gab ihm Halt. Das Gericht geht von Reifeverzögerungen des jungen Mannes aus, sanktioniert ihn daher nach Jugendstrafrecht mit einer Verwarnung sowie 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit. (* Namen von der Redaktion geändert.) Hoga

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