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Im Dauerbetrieb. Die Arche-Mitarbeiter Christoph Olschweski und Heidi Grimm (hinten) haben alle Hände voll zu tun.

© Ottmar Winter

„Spezielle Sachen wie Kaffee sind dann einfach nicht mehr drin“: Hilferufe an die Potsdamer Arche am Monatsende

Immer mehr Familien können sich teure Lebensmittel nicht mehr leisten und stehen daher einmal im Monat bei der Ausgabestelle an. Ein Besuch.

Vor dem Gelände der Arche in Drewitz hat sich eine kleine Schlange gebildet: Vor allem Frauen warten vor dem kleinen weißen Pavillon darauf, sich einige Dinge des täglichen Bedarfs wie Obst, Gemüse, Nudeln, Mehl, Shampoo oder Windeln abholen zu können. Arche-Leiter Christoph Olschewski und seine Helfer:innen haben alle Hände voll zu tun: „Braucht ihr Paprikas? Wir haben rote oder gelbe“, fragt Olschewski. „Ja, rote. Vier Stück“, sagt die Frau, die gerade dran ist. „So viele können wir leider nicht rausgeben, es muss für alle reichen“, sagt Olschewski. „Ok“, sagt die Frau und nickt.

40
Familien aus 16 Nationen nutzen das kostenlose Angebot.

Einmal pro Monat findet die Ausgabe des Kinderhausprojektes Arche statt, rund 40 Familien aus 16 Nationen nutzen das kostenlose Angebot, das direkt nach Beginn des Krieges in der Ukraine gestartet wurde. „Die Tendenz ist stark steigend“, sagt Olschewski. „Am Anfang waren es etwa 20 Familien, die Zahl wächst mit jedem Monat.“ Bewusst richtet sich die Ausgabe von haltbaren Lebensmitteln und Hygieneartikeln sowohl an ukrainische Geflüchtete als auch die Familien vor Ort, deren Kinder die Arche schon seit langem besuchen. Ukrainische Familien sind an diesem Tag nicht viele zu sehen, sie hatten das Angebot vor allem kurz nach ihrer Ankunft in Potsdam genutzt.

Wenn der Wocheneinkauf auf einmal 30 Euro mehr kostet

„Es ist gerade schwer, so für mich und meine Kinder zu sorgen, wie ich das gerne würde“, sagt die Anwohnerin Glory Omorouyi, die vor dem Pavillon steht. „Die Stromrechnung ist gestiegen und alles im Supermarkt ist teurer geworden.“ Früher sei sie jede Woche einmal groß im Supermarkt einkaufen gewesen und habe dafür 70 Euro bezahlt, heute kaufe sie weniger ein, bezahle aber 100 Euro. „Eine Flasche Öl kostete früher zum Beispiel 1,50 Euro, heute sind es mehr als zwei Euro“, so Omorouyi.

Die 39-jährige Potsdamerin studiert und bekommt Unterstützung vom Jobcenter, trotzdem reicht das Geld angesichts der Inflation und der gestiegenen Lebensmittelpreise für sie und ihre vier Kinder oft nicht aus. „Ich kann meinen Kindern nicht mehr so viel kaufen wie früher“, sagt Omorouyi. Das meiste Geld gebe sie für Lebensmittel und Kinderkleidung aus. „Ich versuche, soziale Angebote wie das der Arche zu nutzen, um ein bisschen Kosten einzusparen.“

Hilferufe auf WhatsApp am Monatsende

Neben der Arche gibt es in Potsdam auch die Lebensmittelausgabe der Tafel, doch diese kann schon lange nicht mehr den Bedarf schultern: Seit Juni gilt ein Aufnahmestopp für neue Kund:innen, ohne diesen stünden nach Einschätzung der Tafel rund 500 Menschen mehr für Lebensmittel an (PNN berichteten).

Großer Bedarf. Gerade Gemüse und Obst werden bei der Arche stark nachgefragt.
Großer Bedarf. Gerade Gemüse und Obst werden bei der Arche stark nachgefragt.

© Ottmar Winter

Christoph Olschewski weiß um die prekäre Lage vieler Familien: „Ganz oft bekomme ich am Monatsende auf WhatsApp Hilferufe: ‚Chris, wir brauchen Lebensmittel oder Windeln, habt ihr was?‘“ Viele Familien sind auf Sozialleistungen angewiesen, diese seien jedoch in den vergangenen Monaten nicht an die Inflation und die gestiegenen Energiepreise angeglichen worden. „Es gibt da keine Rücklagen oder Alternativen – das ist eine brutale Herausforderung für viele Familien“, sagt Olschewski.

Eltern verzichten und versuchen ihre Kinder nichts merken zu lassen

Aus diesem Grund sind viele Menschen dankbar für das Angebot der Arche: „Es ist eine kleine Hilfe“, sagt eine 34-jährige Anwohnerin, die ihren Namen nicht nennen möchte. „Ich habe vier Kinder, da nimmt man so etwas gerne an.“ Sie und ihre Familie müssen sich einschränken, doch das ist gar nicht so einfach: „Man versucht es, aber bei Kindern ist es eigentlich unmöglich, die brauchen ja Gemüse, Obst und Fleisch“, sagt die Anwohnerin. „Eher verzichte ich bei mir.“

Mitarbeiterin Heidi Grimm muss die Lebensmittel oft nachfüllen - sofern genug da sind
Mitarbeiterin Heidi Grimm muss die Lebensmittel oft nachfüllen - sofern genug da sind

© Ottmar Winter

Das beobachtet auch Olschewski: „Vor allem Alleinerziehende schränken sich zum Teil deutlich für ihre Kinder ein. Spezielle Sachen wie Kaffee sind dann einfach nicht mehr drin.“ Das Thema sei schambehaftet: „Man versucht, es die Kinder nicht spüren zu lassen“, sagt Olschewski. Gegenüber den Kindern kommuniziere die Arche die Ausgabe daher als „kleines Zusatzgeschenk“ für die Familien.

Von den Familien kommt viel Dankbarkeit

„Nudeln? Tomatensoße? Kaffee?“, fragt eine Mitarbeiterin der Arche Jihan Nouman, die mit einer großen Einkaufstüte vor dem Pavillon steht. Auch sie versorgt sich hier wegen der hohen Preise im Supermarkt: „Vor allem Bio-Lebensmittel und Früchte sind sehr teuer geworden, aber auch Kinderkleidung“, sagt die 34-jährige Anwohnerin. Ihr Mann arbeite in Teilzeit, da bleibe nicht viel Geld für sie und die drei Kinder. „Seit fünf Monaten ist das so“, sagt Nouman. „Die letzten Jahre waren okay, aber dieses Jahr ist sehr schwer für uns.“

Auch für die Arche ist das Angebot zunehmend schwerer zu schultern, denn natürlich ist die Einrichtung ebenso von den wachsenden Einkaufspreisen betroffen. Der Verband der Arche plant daher aktuell einen Hilfefonds, um bundesweit zusätzliche Lebensmittelunterstützung für die Familien zu finanzieren. Hilfe bekommt die Arche Potsdam auch aus den eigenen Netzwerken: „Es gibt viele Ehrenamtliche, die uns unterstützen, und auch von den Familien kommt viel Dankbarkeit“, sagt Olschewski. Eine der Familien habe zum Beispiel am Vormittag arabisches Essen für das Team der Ausgabestelle gekocht.

Olschewski blickt mit Sorge auf die kommenden Monate, wenn die kalte Jahreszeit die Energiekosten weiter in die Höhe treiben wird: „Die Preissteigerungen treffen Familien, die ohnehin in einer angespannten Lage sind.“ Das Nervengerüst vieler Eltern sei angesichts der vielfachen Belastungen zunehmend strapaziert – das erhöhe das Risiko, dass es zu Hause zu Kindeswohlgefährdungen komme. „Es kann sein, dass wir wieder in so eine Welle reinrutschen wie zu Corona-Zeiten“, sagt Olschewski.

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