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Landeshauptstadt: Sterbesessel ohne Königs Blut

DNA-Analyse beweist: Flecken nicht von Friedrich dem Großen Sanssoucis berühmtestes Möbelstück restauriert

DNA-Analyse beweist: Flecken nicht von Friedrich dem Großen Sanssoucis berühmtestes Möbelstück restauriert Von Erhart Hohenstein Der Sterbesessel Friedrich des Großen trägt höchstwahrscheinlich keine Blutspuren des Königs, wie nach einer Untersuchung im Jahr 1910 behauptet wurde. Das ergab eine an der Humboldt-Universität zu Berlin vorgenommene DNA-Analyse der Flecken auf der Leinwandbespannung des Stuhls. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten hatte diese Expertise beim Institut für Rechtsmedizin in Auftrag gegeben. Den Anlass bot die im Vorjahr begonnene Restaurierung des wohl berühmtesten Möbels aus Schloss Sanssouci, die jetzt vor dem Abschluss steht. Sie war durch einen Hamburger Bänker ermöglicht worden, der sich bei einem Besuch des Schlosses spontan zu einer Spende von 5000 Euro entschlossen hatte. Die Kustodin der Möbelsammlung, Dr. Afra Schick, leistete die wissenschaftliche Vorarbeit für die Restaurierung. Aus der Literatur und aus Abbildungen, so dem 1787 entstandenen Gemälde „Der Tod Friedrichs II.“ von Christian Bernhard Rode, wurde das ursprüngliche Aussehen des Sessels ermittelt. Möbelrestaurator Kurt Kallensee arbeitete dann in seiner Babelsberger Werkstatt das weiß lackierte Gestell auf. Es ist extra breit, besitzt eine verstellbare Rückenlehne und Rollen unter den Füßen. Der Sessel war also ganz auf die Bedürfnisse eines leidenden alten Mannes zugeschnitten. Das trifft ebenso auf die Polsterung zu, die nun in der Stiftungs-Restaurierungswerkstatt für textile Raumausstattung im Neuen Garten wiederhergestellt wird. Der Ohrensessel vom Typ „Bergère en confessional“ war an der Rückenlehne und den Armlehnen mit Rosshaar aus Schweif und Mähne von Pferden gepolstert. Diese Bourrelets (Kantenwülste) konnte die junge Textilrestauratorin Diana Zill im Original wieder verwenden. Zuvor wurden sie in einer so genannten Zupfmaschine von Schmutz und Parasiten befreit und aufgelockert. Ebenfalls erhalten haben sich Leinen, Leder und andere für die Polsterung verwendete Materialien. In der Werkstatt konnte festgestellt werden, dass die 16 spiralförmigen Sprungfedern unter dem Sitz wohl doch Originalstücke aus dem 18. Jahrhundert sind. Das war bezweifelt worden, weil ein Patent auf diese Art der Federung erst um 1820 erteilt wurde. Durch Quellenstudien konnte sie nun aber bereits für 1734 nachgewiesen werden. Dafür spricht auch die darüber liegende Verknotung aus starken Bindfäden, die die Federn im Lot hielt. Sie sei typisch für das 18. Jahrhundert, erläuterte die Textilrestauratorin. Zum Abschluss der Restaurierung wird der Sessel wieder mit apfelgrünem Damast bezogen. Die Seide aus Frankreich liegt schon bereit. Der alte Bezug war durch Lichteinwirkung verblichen und gerissen. Diana Zill hofft, die Arbeiten bis Ende April beenden zu können, dann kehrt Friedrichs Sterbesessel nach Schloss Sanssouci in das Arbeits- und Schlafzimmer des Alten Fritzen zurück. Der todkranke König könnte darin wieder genau so bequem sitzen und schlafen wie vor 219 Jahren. Verloren gegangen sind allerdings Daunenkissen und Überdecke in Karmesinrot sowie eine mit schwarzem Leder überzogene und mit goldenen Nägeln beschlagene Fußbank, die zur Ausstattung gehörten. Letztmals wurden diese Stücke in einem Inventar von 1878 verzeichnet. Zu Lebzeiten hat der König von dem Sessel nicht mehr viel gehabt. Das Möbelstück war am 14. Juli 1786 von dem Potsdamer Sattlermeister Gleisberger geliefert worden, schon gut einen Monat später, am 17. August, starb der Herrscher. Die Pietät der Nachfolger Friedrichs II. gegenüber dem Sterbesessel war nicht sehr ausgeprägt. Thronfolger Friedrich Wilhelm II. schenkte ihn Prinzessin Amalie, der Schwester des Verblichenen, nach einer anderen Version dem Kammerhusaren Neumann. Im Jahre 1810 zum Verkauf angeboten, wurde der Stuhl schließlich von Prinz August erworben. 1843 ließ ihn der traditionsbewusste König Friedrich Wilhelm IV. wieder in Sanssouci aufstellen. Dort steht er nach einem Abstecher ins 1878 eröffnete Hohenzollern-Museum im Berliner Schloss Monbijou nun für immer.

Erhart Hohenstein

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