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Landeshauptstadt: „Streiten bis aufs Messer“

Podiumsdiskussion zur Villa Schöningen: Die UNESCO will helfen, Befunde im Garten und ein großer Unbekannter

Podiumsdiskussion zur Villa Schöningen: Die UNESCO will helfen, Befunde im Garten und ein großer Unbekannter Schon an der Terminologie scheiden sich die Geister, die beim Podiumsgespräch über das „Pro und contra: Bauen an der Villa Schöningen“ im Oberstufenszentrum „Johanna Just“ am Donnerstagabend teils heftig aneinander gerieten. Die Veranstaltung geriet kurzweilig, Leidenschaften prallten aufeinander, es gab jähe Wendungen und überraschende Neuigkeiten. Vorab der Hintergrund: Die Berliner Projektgruppe L.E.A.R will im Auftrag der Akanthus Grundstücksgesellschaft im weiteren Gartenumfeld der 1843 bis 1845 erbauten Villa fünf „Kavaliershäuser“ errichten. Der Verkaufserlös dieser im Schinkel-Stil entworfenen Häuser soll zum Teil in die Sanierung der Villa Schöningen fließen. Deren Eigentümer Dieter Graalfs sitzt im Vorstand der Akanthus. Mittels eines städtebaulichen Vertrages will die Stadt Potsdam diese „Quersubvention“ zugunsten des herrschaftlichen Hauses an der Glienicker Brücke absichern. Neubauten im Weltkulturerbe, im direkten Umfeld der Villa, neben oder gar auf einer Fläche, die womöglich einmal ein Garten von Lenné war? Vehement spricht sich der Verein Berliner Vorstadt dagegen aus. Wie dessen Vorsitzender Peter Daniel eingangs erklärte, nennen die Projektgegner das Villenumfeld „Pleasureground mit Landschaftsgarten“, die Investoren sprechen von Villengarten plus Nachbargrundstück. Und eben auf letzterem, vom früheren Villen-Besitzer Wallich nur dazugekauften Nebenterrain, soll seine „kleinteilige Bebauung“ stattfinden, erklärte Architekt Bernd Faskel: „Pleasureground wäre das völlig falsche Wort.“ Die Baubeigeordnete Elke von Kuick-Frenz stellte klar: „Wir wollen die Villa erhalten“. Dies sei das Ziel und daher müsse nach zehn Jahren Stillstand nun ein Kompromiss her. Die vorgeschlagene „Quersubventionierung“ sei die einzige Alternative. Sie habe bereits mit der UNESCO Deutschland in Bonn telefoniert. Auch die Hüter des Weltkulturerbes würden sich eine Bebauung an der Villa vorstellen können und hätten sich angeboten, bei der Vertragsgestaltung zu helfen. „Die UNESCO würde uns unterstützen, damit wir noch einen Knebelparagrafen in den Vertrag reinkriegen“, versicherte die Baubeigeordnete allen, die zweifeln, dass das Geld für die „Kavaliershäuser“ der Villa zugute kommt. Robert Graf Pachta vom Verein Berliner Vorstadt beschreibt die Lage anders: „Ein Spekulant hat die Villa vor zehn Jahren gekauft und lässt sie verfallen. Die Stadt sieht nun keine andere Möglichkeit, als ihm Baurecht einzuräumen.“ Graf Pachta: Potsdam würde internationales Recht brechen. „Die BRD verstößt gegen die Weltkulturerbekonvention.“ Der ehemalige Gartendirektor der Schlösserstiftung, Prof. Michael Seiler sieht das ähnlich: Mit Blick auf den Glienicker Park, dem „Glienicker Pleasureground“, sei die Villa „Kerngebiet des Weltkulturerbes“. Niemand komme auf die Idee, „am Rande von Schloss Sanssouci kleine Häuser zu bauen“. Die „Kavaliershäuschen“ kritisiert er als „Mauer“, die die Villa umfängt. Die Baurechtlerin Margarete Mühl-Jäckel sieht durch die L-förmige Häuserreihe eine „Durchbrechung des vorhandenen Rahmens“, es handele sich „fast um eine Hinterlandbebauung“. Kuick-Frenz kündigte an, sich mit Graf Pachta „streiten zu können bis aufs Messer“. Auf die Frage der Moderatorin Sabine Schicketanz, PNN-Lokalchefin, warum den zehn Jahre vergehen mussten, sagte die Baubeigeordnete, „der Eigentümer hat keine geeignete Nutzung gefunden“. „Ein Eigentümer eines Denkmals ist verpflichtet, es zu erhalten“, insistierte Graf Pachta. Er brachte das böse Wort „Ersatzvorname“ ins Spiel, eine Sanierung seitens der Stadt auf Kosten des Eigentümers, erklärte Mühl-Jäckel. Als „stumpfe Schwerter“ bezeichnete sie die Druckmittel der Stadt, die Partner eines städtebaulichen Vertrages zur Einhaltung ihrer Verpflichtungen zu zwingen. Die „Ersatzvorname“ lehnte von Kuick-Frenz ab: „Auf gar keinen Fall“. Hartmut Attenhauser hatte bislang so gut wie geschwiegen, nun erinnerte er daran, dass neben der Villa auch schon mal ein 1200-Personen-Biergarten geplant war, der vom Oberbürgermeister befürwortet war – womit er wohl einen Amtsvorgänger von Jann Jakobs meinte. Architekt Faskel informierte über Suchgrabungen im Villengarten – „ob Gustav Meyer, Persius, Lenné oder wer auch immer im Spiel war“. Ergebnis: Der Garten sei so tief gestört, das man nichts habe finden können. Dazu Kuick-Frenz: Es war mal ein bronzezeitlicher Siedlungsplatz, ansonsten sei zu tief umgegraben worden, es habe nicht festgestellt werden können, was da vorhanden war. Kuick-Frenz: „Es gab keine Befunde zum Garten“. – Das war der Moment, als den Gartenexperten Dirk Heydemann nichts mehr zurück hielt: Der Lenné-Schüler Gustav Meyer habe 1845 und 1846 zwei Pläne des Gartens gemacht: ein Wegesystem mit zwei Excedren (Gartenbänke). Und genau dieses Wegesystem habe er bei einer eigenständigen Besichtigung der Suchgräben entdeckt. Die von ihm gezeigten Bilder lassen deutlich Wegeverfestigunge in exakt 1,80 Meter Breite erkennen – genau dort, wo sie nach dem Meyer-Plan auch sein müssten. In diesem Moment erhob sich ein Herr im Publikum und zitierte aus dem Grundbucheintrag: „Der Verkäufer hat dem Käufer erklärt, dass es sich um ein Gartendenkmal handelt“. Nach lautstarker Ansicht von Verwaltungsmitarbeitern hätte der Herr, der angab, Notar zu sein, diese Information in der Öffentlichkeit gar nicht kundtun dürfen. L.E.A.R.-Vertreter Attenhauser kündigte eine Anzeige an. In der Diskussion bezweifelte Saskia Hüneke (Bündnisgrüne), dass die UNESCO am Telefon die von der Baubeigeordneten verkündeten Zusagen gemacht habe, ohne sich das Areal anzusehen. Von Kuick-Frenz revidierte im Weiteren ihre Aussage, es sei bei der Grabung nichts gefunden worden. Vielmehr sei nichts gefunden worden, was auf Meyer oder Lenné hinweist: „Ich habe mich falsch ausgedrückt.“ Nach Schluss der Debatte fiel ein Mann in feinem Nadelstreifenanzug auf. Auf PNN-Nachfrage erklärte er, er sei der Vertreter eines „Investors aus dem Ausland, der würde die Villa so sanieren wie sie ist“. Auch ohne Kavaliershäuser.

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