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Sport: Suche nach versöhnlichem Abschluss

Jörg Schwanke ist bei Babelsberger Fans umstritten – aber er ist ein Zugewinn für die junge Mannschaft

Jörg Schwanke ist bei Babelsberger Fans umstritten – aber er ist ein Zugewinn für die junge Mannschaft Paul, sechs Jahre alt, fand schnell Gefallen. Er war am ersten Augusttag mit seinen Eltern in der S-Bahn unterwegs und wollte eigentlich zum Badesee. Irgendwie verschlug es das in Berlin-Pankow wohnende Trio auf Drängen des Steppkes ans Berliner Olympiastadion. Dort standen aus Anlass der Feierlichkeiten zur Fertigstellung der neuen Arena Hüpfburgen, Schaukeln und Sandkästen zum Toben und Spielen. Paul hatte seine Eltern zum Bleiben überredet und sein Vater erstmals seit langer Zeit wieder ein Fußballstadion als ganz normaler Besucher betreten. Es spielten die Hertha-Amateure in der Regionalliga gegen den 1. FC Union. Pauls Vater ist Jörg Schwanke und die Begebenheit sagt einiges über die Bedeutung, die der Fußball aktuell in seinem Leben einnimmt. Schwanke hat als Berufsfußballer eine Vita vorzuweisen, die ebenso ungewöhnlich ist wie die Distanz, die er längst zu seinem seit anderthalb Jahrzehnten ausgeübten Tagwerk gewonnen hat. Bei Energie Cottbus startete er 17-jährig in den Männerbereich, zwischen 1991 und 1994 absolvierte er für den VfL Bochum 59 Partien in der 1. Bundesliga. Später spielte er für den FC Union (1995-96, 1998-2000) und LR Ahlen (1996-97, 2000-02), verdiente sehr gut und war als einsatzstarker Spieler im defensiven Mittelfeld von seinen Gegenspielern gefürchtet. Er ließ sich von Ahlen für einige Monate ins benachbarte Paderborn ausleihen, wechselte dann zum damaligen Regionalligisten Dresdner SC und spielte die Serie 2003/04 für den BFC Dynamo, der am kommenden Sonnabend beim SV Babelsberg 03 (15 Uhr, Karl-Liebknecht-Stadion) gastiert. Und nicht zu vergessen: Er gab vor sechs Jahren ein von Nebengeräuschen begleitetes Intermezzo beim SVB. Jörg Schwanke hat das nicht vergessen. Zu Wochenbeginn bot sich Gelegenheit zum Erinnern. Schwanke, ein lockerer Typ mit Interesse für Musik, Theater und Mode hat haufenweise Stories parat, etwa die von Ahlens Vereinsboss Helmut Spikker und dessen eigenwilligen Motivationskünsten. Der Multimillionär tauchte einmal mit einer großen Flasche noch körperwarmen Blutes in der Kabine auf. „Er hatte das Zeug unmittelbar zuvor vom Schlachter geholt, ließ einige martialische Flüche und Beschimpfungen los und schickte uns raus auf“s Spielfeld. Die Folge war, dass wir, aus welchen Gründen auch immer, endlich wieder einmal gewannen“. Mit dem 1. FC Union flog Schwanke einmal ins Trainingslager nach Zypern. Die Maschine hatte unterwegs acht Stunden Aufenthalt in Sofia. Bei Union spielten damals Iwailo Andonow, Adalbert Zafirow und Christo Koilow, Trainer war Georgi Wassilew. Allesamt waren sie Stars in Bulgarien. Die Folge: Im Abfertigungsgebäude des Airport strömten die Massen, der Zoll stellte zeitweilig den Dienst ein. Vergangen ist dies alles für Schwanke, der den Profifußball heute ganz nüchtern betrachtet: „Es gibt nichts zu glorifizieren. Ich habe immer Einsatz gezeigt und ansonsten mein Leben genossen. Für mich stellt sich heute nicht einmal die Frage, ob ich mit meiner Karriere zufrieden bin. Meine Devise war immer, dass das, was gerade mit mir passiert, schon irgendwie seine Richtigkeit hat.“ Er besitzt kein einziges Trikot und auch keine Autogrammkarte von sich. „Das bedeutet mir nichts, ich habe die Sachen immer verschenkt. Jörg Schwanke spielt seit einigen Wochen wieder beim SVB. Er hat Spaß in Potsdam. Und Erfolg, was ihm im Fußball immer am wichtigsten war. Vor vier Tagen beim 1:0 in Rathenow zeigte er, welch Zugewinn er für das mit vielen jungen Spielern besetzte Aufgebot ist. Und er stellt noch einmal klar, dass er im Spätherbst 1997 im festen Vertrauen auf getroffene Absprachen nach Babelsberg gewechselt war. Einige Monate später wählte der damalige Hauptsponsor den Freitod und die Vereinskasse war zu Saisonbeginn 1998/99 leer. „Das ist damals alles sehr unglücklich gelaufen. Ich kann mit dem Vorwurf, ein abzockender Söldner gewesen zu sein, jedoch nichts anfangen. Ich kann nichts für die Mechanismen dieses Geschäfts“, sagt er. Das sei alles nun wirklich Schnee von gestern. Familienmensch Jörg Schwanke will es beim SV Babelsberg noch einmal wissen – später will er als Trainer arbeiten. Thomas Gantz

Thomas Gantz

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